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Fall Ruben: Das Ende einer dreijährigen Flucht

Rubens Vater protestierte 2004 vor der Schweizer Botschaft in Rom für die Rückkehr seines Sohnes. Keystone

Einmal mehr sorgte eine Kindesentführung für Schlagzeilen: Der 2004 von seiner Schweizer Mutter entführte Ruben ist wieder in der Obhut seines italienischen Vaters.

Dieser Inhalt wurde am 02. November 2007 - 16:42 publiziert

Die Mutter befindet sich mit ihren zwei anderen Kindern in Rom im Gefängnis. Nach ihr war, gestützt auf das Haager Übereinkommen über internationale Kindesentführung, weltweit gefahndet worden.

Die Geschichte beginnt mit einem Sturz der Luzerner Radrennfahrerin Lucille Hunkeler. Ein Armbruch während eines Rennens begrub ihre Siegesträume, dafür entstand eine Romanze mit ihrem italienischen Sportarzt Stefano Bianchi.

Schon bald nach der Geburt ihres gemeinsamen Sohnes Ruben ging die Beziehung in die Brüche. Ein italienisches Gericht sprach 2002 das Sorgerecht dem Vater zu. Die Luzerner Justiz und das Bundesgericht bestätigten diesen Entscheid.

Lucille Hunkeler wehrte sich erfolglos gegen diese Verfügungen. Sie versteckte sich mit ihrem Sohn zuerst in der Schweiz.

Später setzte sie sich nach Afrika ab. Dort brachte sie zwei weitere Kinder zur Welt, die nicht von Stefano Bianchi stammen. Ende Oktober wurde die schweizerisch-italienische Doppelbürgerin in Mosambik festgenommen und nach Italien ausgeliefert.

Sie befindet sich nun im Römer Frauengefängnis Rebibbia in Haft. Dieses verfügt über eine spezielle Abteilung für Frauen mit Kindern.

Vor der Verhaftung sei eine italienische Interpol-Einheit auf die Spur der Mutter gekommen, "dank privater Ermittlungen im Auftrag des Vaters", heisst es in einigen Medien. Die Mutter habe im afrikanischen Inselstaat Sao Tomé und Principe gelebt und sei kürzlich nach Mosambik geflogen, um ihr jüngstes krankes Kind behandeln zu lassen.

Vater akzeptiert

Ruben befindet sich wieder in der Obhut seines Vaters, nachdem er vorübergehend in einer Pflegefamilie in Italien untergebracht worden war.

Der Vater sei sehr glücklich, vor allem darüber, dass Ruben ihn wieder erkannt habe und als Vater akzeptiere. Die beiden hatten sich am Montag nach dreijähriger Trennung erstmals wieder getroffen. Sie befinden sich an einem geheimen Ort und schirmen sich von den Medien ab.

Gehilfenschaft

Noch vor der Verhaftung der Frau hatte die Luzerner Kantonspolizei gegen eine Person aus deren engem Umfeld eine Strafuntersuchung wegen Gehilfenschaft eingeleitet.

Die Kantonspolizei muss nun entscheiden, ob sie ihre Untersuchungen gegen weitere Personen ausdehnen wird. Insbesondere wird geprüft, ob die betroffenen Personen 2006, nach dem Untertauchen der Frau, finanziell geholfen und ihr Unterschlupf gewährt hätten, was strafbar wäre.

Der Fall Ruben beschäftigt die Schweiz auch auf diplomatischer Ebene. "Wir haben konsularischen Kontakt mit der Betroffenen und den zuständigen Behörden", sagt Carine Carey, Mediensprecherin des Eidg. Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA).

Vorwürfe an Luzerner Justiz

Laut den Anwälten des Vaters hielt sich die Mutter während ihres Untertauchens unter anderem auch im Engadin auf. Die Luzerner Behörden seien darüber informiert worden, hätten aber wenig unternommen. Geändert habe sich dies erst, als Italien ein konkretes Rechtshilfeersuchen stellte.

Die Luzerner Justiz wurde auch vom Europäischen Menschenrechtsgerichtshof (EMRK) kritisiert: Nach der Entführung ordnete ein lokales Schweizer Gericht an, dass der Knabe während des Prozesses, den sein Vater angestrebt hatte, in der Schweiz bleiben solle.

Der EMRK bezeichnete den Entscheid als inopportun, weil er sich nicht mit dem Den-Haager-Abkommen von 1980 decke, das von über 70 Staaten praktiziert wird. Dieses verlangt eine rasche Rückkehr von verschleppten oder illegal festgehaltenen Kindern.

Insbesondere soll es nicht möglich sein, dass ein Elternteil mit einer Kindesentführung in ein anderes Land sich eine vorteilhaftere Sorgerechts-Regelung verschaffen kann.

Weiter bemängelten die EMRK-Richter in Strassburg, dass das Luzerner Gericht mit dem Entscheid zu lange gewartet habe, das Kind nach Italien zurückzuführen. Der EMRK verurteilte die Schweiz, dem Vater eine Genugtuung von 15'000 Euro zu zahlen.

swissinfo, Etienne Strebel

Kindesentführung

2006 hat die Schweizerische Zentralbehörde zur Behandlung internationaler Kindesentführungen insgesamt 179 Fälle behandelt, von denen 93 aus dem Vorjahr übernommen wurden.

Sie verzeichnete wesentlich mehr Anträge auf Rückführung ans Ausland als vom Ausland.

In 68% der Fälle war die Mutter der entführende Elternteil, bei der Verweigerung des Besuchsrechts betrug der Anteil der Mütter 80% der Fälle.

Von den im Jahr 2006 gestellten Rückführungs- und Besuchsanträgen waren 118 Kinder betroffen. Ihr Durchschnittsalter betrug 6 Jahre.

Die Schweiz ist vertraglich mit 73 Staaten über das Haager Kindesentführungs-Übereinkommen und das Europäische Sorgerechts-Übereinkommen verbunden.

Beide Übereinkommen haben das gleiche Ziel: Sie setzen zum Kindeswohl das durch eine Entführung verletzte Sorgerecht wieder her und gewährleisten die Ausübung des Besuchsrechts.

Nationalität des Kindes und der Eltern spielen bei der Anwendung der Übereinkommen keine Rolle.

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