EUROKRISE/Banken drohen schärfere Regeln für Risikovorsorge (AF)
LONDON/BRATISLAVA (awp international) - Europas Banken drohen möglicherweise Zwangsmassnahmen zur besseren Risikovorsorge. Die europäische Bankenaufsicht EBA erwägt nach Informationen der Londoner Zeitung "Financial Times" (Mittwoch), eine höhere sogenannte harte Kernkapitalquote von neun Prozent durchzusetzen. Die Institute müssten die Vorgabe in höchstens neun Monaten umsetzen, sonst drohten staatliche Finanzspritzen. Je höher die Kernkapitalquote ist, desto besser ist eine Bank gegen Geschäftsrisiken geschützt.
In der Slowakei dauerte unterdessen die Hängepartie um den Euro-Rettungsfonds EFSF an. Am Tag nach dem Nein im Parlament und dem Sturz der Regierung wollte das scheidende Kabinett vom Premierministerin Iveta Radicova am Nachmittag das weitere Vorgehen beraten. Formell bleibt die Regierung trotz verlorener Vertrauensabstimmung im Amt, bis eine neue gebildet ist.
WEITERE ABSTIMMUNG
Hinter den Kulissen versuchten die politischen Lager, rasch die Abstimmung zu wiederholen und eine Mehrheit sicherzustellen. Die Chancen für ein Ja gelten als hoch. Über internationale Verträge darf in der Slowakei ein zweites Mal abgestimmt werden.
Die Slowakei ist der letzte der 17 Euro-Staaten, der einer Ausweitung des Euro-Rettungsschirms noch zustimmen muss. Ohne grünes Licht aus Bratislava können die anderen Euro-Länder den Rettungsschirm nicht ausdehnen.
MERKEL ERWARTET ZUSTIMMUNG
Bundeskanzlerin Angela Merkel rechnet weiter mit einer Zustimmung der Slowakei. "Ich bin sehr gewiss, dass wir bis zum 23. Oktober alle Unterschriften aller Mitgliedsstaaten unter diesen EFSF haben werden", sagte Merkel am Mittwoch in Ho-Chi-Minh-Stadt in Vietnam. Am 23. Oktober ist der nächste Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel.
Merkel dämpfte Erwartungen, die Schulden- und zugleich drohende Bankenkrise rasch eindämmen zu können. "Es wird niemals die eine Lösung sein für das gesamte Problem (...) Einen Paukenschlag, einen Befreiungsschlag wird es nicht geben." Auch nicht am 23. Oktober. Die Kanzlerin und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy hatten am Sonntag ein "Gesamtpaket" zur Euro- und Bankenrettung bis Ende des Monats angekündigt. Es soll auf dem G20-Gipfel Anfang November vorgestellt werden.
An der Börse wuchs die Hoffnung auf Fortschritte in der Euro-Schuldenkrise. Der Euro zog an, der deutsche Aktienindex Dax legte weiter zu.
BARROSO KÜNDIGT VORSCHLÄGE AN
Angesichts des Übergreifens der Euro-Schuldenkrise auf die Banken wollte EU-Kommissionspräsident Jose Barroso am Mittwoch Vorschläge machen, wie Banken mit zusätzlichem Kapital versorgt werden können, denen wegen der Schuldenkrise hohe Abschreibungen auf Staatsanleihen beispielsweise aus Griechenland, Portugal und Irland drohen. Die EU-Staats- und Regierungschefs sollen darüber beim Gipfel beraten.
Die letzten Stresstests für die Branche vom Juli hatten zumeist positive Ergebnisse geliefert: So hatte die französisch-belgische Bank Dexia den Test bestanden. Dennoch wird sie jetzt zerschlagen und mit Staatsgarantien in Milliardenhöhe gestützt.
BUNDESREGIERUNG WARTET AUF AUFSEHER
Nach Angaben der Bundesregierung gibt es noch keine Festlegungen auf Instrumente und konkrete Vorgaben bei der Bankenrettung in Europa. Man warte auf den Vorschlag der europäischen Bankenaufsicht, wie hoch der Kapitalbedarf der Banken sei.
Der Sprecher des Bundesfinanzministeriums, Martin Kotthaus, sagte am Mittwoch in Berlin: "Welche Instrumente welcher Höhe das dann erforderlich macht, da harren wir auch der Vorschläge durch die EBA, die schlicht und ergreifend die Zahlen hat." Zu dem Bericht der "Financial Times" äusserte sich das Ministerium nicht.
BANKEN WEHREN SICH
Die Branche wehrt sich gegen Vorwürfe, nach 2008 erneut fahrlässig in die Krisen zu geraten. Die Banken stehen nach Ansicht von Sparkassen-Präsident Heinrich Haasis zu Unrecht am Pranger. "Wir haben keine Bankenkrise, sondern eine Staatsschuldenkrise", sagte der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV). Wenn die Politik entschlossen handele, brauchten die Banken gar keine Finanzspritzen der Steuerzahler.
Die Kritik aus den USA an der deutschen Führungsschwäche in der Schuldenkrise reisst nicht ab. Der amerikanische Top-Ökonomen Nouriel Roubini sagte im neuen "Stern": "Europa muss viel entschiedener handeln. Uns läuft die Zeit davon. Letztlich kann nur Deutschland die Eurozone retten."
Roubini hält einen raschen, radikalen Schuldenschnitt für Griechenland sowie eine massive Ausweitung des Europäischen Rettungsfonds EFSF für unabdingbar. "Der Rettungsschirm ist schon jetzt viel zu klein. Die 440 Milliarden reichen höchstens bis Ende des Jahres."/rom/stw/tb/ct/hoe/DP/tw