Euro-Rettung: Deutscher Bundestag könnte 'Königsrecht' abgestuft wahrnehmen (AF)
BERLIN (awp international) - Zur Bewältigung der Schuldenkrise in Europa wird der Bundestag sein Königsrecht in Finanzfragen voraussichtlich in abgestufter Form wahrnehmen. Damit soll einerseits die starke Stellung des deutschen Parlaments gewahrt und zugleich der Regierung ein gewisser Handlungsspielraum auf EU-Ebene gewährt werden.
Unionsfraktionsvize Michael Meister (CDU) stellte am Dienstag in Berlin ein Drei-Stufen-Modell vor und gab sich zuversichtlich, dass die schwarz-gelbe Koalition eine eigene Mehrheit bei den Abstimmungen über die Reform des Euro-Rettungsfonds EFSF Ende September haben wird. Da die SPD bereits Zustimmung signalisiert hat, gibt es an einem deutschen Ja keinen Zweifel.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) informiert an diesem Mittwoch die Partei- und Fraktionsvorsitzenden der im Bundestag vertretenen Parteien. Zuvor wird das Kabinett den Gesetzentwurf zur Umsetzung der von den EU-Staats- und Regierungschefs am 21. Juli vereinbarten EFSF-Reform auf den Weg bringen. Die Beteiligung des Bundestages ist darin noch nicht geregelt. Sie ist Sache des Parlaments.
Am 7. September wird eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu den Beteiligungsrechten erwartet. Das letzte Wort hat der Bundesrat, der Meister zufolge am 29. oder 30. September zu einer Sondersitzung zusammenkommen wird.
Bei der Vorbereitung der Kabinettssitzung durch die Staatssekretäre hat es am Montag nach Angaben aus der Koalition eine Auseinandersetzung zwischen dem Arbeitsministerium von Ursula von der Leyen (CDU) und dem Kanzleramt gegeben. Von der Leyens Vertreter soll mehr Zeit für den Gesetzentwurf und mangelnde Informationen durch das Bundesfinanzministeriums beklagt haben. Das Kanzleramt setzte dann in einem heftigen Wortwechsel aber seinen Zeitplan durch, hiess es.
Von der Leyen hatte jüngst die Hinterlegung von Goldreserven zur Absicherung der Kredite für Schuldenländer sowie ein Streben nach Vereinigten Staaten von Europa vorgeschlagen. Beide Ideen wurden in der Unionsfraktion verworfen. Der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung" sagte von der Leyen: "Das Bundesfinanzministerium hat jetzt alle offenen Fragen beantwortet. Damit gibt es einen abgestimmten Entwurf der Bundesregierung. Die für mich so wichtige Frage der langfristigen Absicherung der Sparbemühungen der Schuldnerländer wird im parlamentarischen Verfahren geklärt."
Im Ringen um die Beteiligung des Parlaments an den Euro-Rettungshilfen sprach sich Meister für dieses Modell aus: Die Abgeordneten entscheiden per Gesetz über mögliche Änderungen an dem bis Mitte 2013 laufenden Euro-Rettungsschirm EFSF oder dessen dauerhaften Nachfolger ESM. Bei Krediten für Krisenländer oder der Aufstockung bewilligter Hilfspakete solle das Votum des Bundestags eingeholt werden. Zur Kontrolle der Milliarden-Bareinlagen im ESM sollen Informationen an den Haushaltsausschuss ausreichen.
FDP-Chef Philipp Rösler sagte: "Klar ist, dass das Parlament das letzte Wort haben muss bei allen wichtigen Entscheidungen. Das Budgetrecht ist das Königsrecht des Parlamentes."
EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso und Polens Regierungschef Donald Tusk drangen in Brüssel auf rasche Entscheidungen der nationalen Regierungen über mehr Budgetkontrollen in der EU und über mehr Befugnisse für den Euro-Rettungsfonds.
Bei der Reform des EFSF geht es unter anderem um neue Instrumente wie den Ankauf von Staatsanleihen kriselnder Euro-Länder. Auch soll der Rettungsfonds mit Krediten oder Kreditlinien bei der Stabilisierung von Banken helfen und vorsorglich eingreifen./du/sl/DP/jha/