Euro-Länder wollen Ansteckung verhindern (2. AF)
BRÜSSEL (awp international) - Die Euro-Staaten wollen ein Übergreifen der Schuldenkrise auf andere Staaten wie Italien unter allen Umständen verhindern. Mit diesem Ziel arbeiteten die Finanzminister der 17 Euro-Länder am Montag in Brüssel eine Erklärung aus, um die hoch nervösen Finanzmärkte ruhig zu stellen. Darin wollten sie dem Schuldensünder Griechenland rasch ein neues Hilfspaket von bis 120 Milliarden Euro zusagen, berichteten Diplomaten. Zugleich sollten Italien und andere hoch verschuldete Länder aufgefordert werden, ihre Haushalte weiter in Ordnung zu bringen.
Das neue Aufflammen der Krise beschäftigt seit Tagen die Märkte, die fürchten, dass nun auch noch Italien - das drittgrösste Land in der Währungsunion - Hilfe benötigen könnte. Bislang erhalten bereits Griechenland, Irland und Portugal Unterstützung von den Europartnern und dem Internationalen Währungsfonds IWF. Die Sorgen um die Schuldenberge in Italien schickten den deutschen Leitindex Dax am Montag auf Talfahrt wie seit März nicht mehr. Die Börse in Mailand schloss mit einem Verlust von knapp vier Prozent.
DETAILS FÜR NEUEN NOTPLAN WEITER UMSTRITTEN
Allerdings sind die Details des neuen Griechenland-Notplans zwischen den Ländern nach wie vor umstritten, dazu zählt insbesondere die geplante Beteiligung von Banken und Versicherungen an den Kosten der Rettungsaktionen. Vor allem Deutschland, die Niederlande und Finnland verlangen, dass die Privatgläubiger einen "substanziellen Anteil" an dem Paket stemmen. Doch die Ratingagenturen spielen nicht mit und wollen auch ein freiwilliges Mitziehen der Banken als einen teilweisen Zahlungsausfall bewerten - und das wollen die Europäer verhindern.
Wegen der Meinungsverschiedenheiten dürften sich die Arbeiten bis Ende August oder Anfang September hinziehen, sagte der niederländische Ressortchef Jan Kees de Jager in Brüssel. "Europa ist bereit, die Eurozone zu verteidigen".
Zu einem Krisengespräch trafen sich bereits vor der Ministerrunde EU-Spitzenvertreter bei EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy. Dabei ging es auch um Italien. "Wir haben unsere Meinungen über die jüngsten Entwicklungen in der Euro-Zone ausgetauscht", sagte Van Rompuy nach dem Gespräch. Auch die Umsetzung des zweiten Hilfspakets für Athen sei besprochen worden. An der Sitzung nahmen EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso, EU-Währungskommissar Olli Rehn, EZB-Präsident Jean-Claude Trichet und Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker. Van Rompuy führt die Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs.
KEINE VERDOPPLUNG VON RETTUNGSSCHIRM
Spekulationen über eine Aufstockung des laufenden Euro-Rettungsschirms wiesen mehrere Minister zurück. "Davon kann überhaupt keine Rede sein", sagte Finanzminister Wolfgang Schäuble. Diese Gerüchte hätten mit der Realität nichts zu tun. Nach einem Bericht von "Welt Online" hatte die Europäische Zentralbank (EZB) eine Verdopplung auf 1,5 Billionen Euro gefordert, weil ihrer Ansicht nach der bestehende Schirm als Schutzmauer um Italien nicht ausreiche.
Trotz der immensen Verschuldung Italiens sprach Bundeskanzlerin Angela Merkel der italienischen Regierung ihr Vertrauen aus. Die Kanzlerin sagte in Berlin, sie habe am Sonntag mit dem italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi telefoniert: "Ich habe festes Vertrauen, dass die italienische Regierung genau einen solchen Haushalt auch verabschieden wird."
'TREUHANDANSTALT' IN GRIECHENLAND
Griechenland brachte eine "Treuhandanstalt" zum Verkauf seines Tafelsilbers an den Start. Der griechische Finanzminister Evangelos Venizelos Evangelos gab in Athen die Führung einer griechischen "Kasse zur Verwertung staatlichen Vermögens" bekannt. Sie soll in den kommenden vier Jahren Staatsbesitz im Wert von 50 Milliarden Euro verkaufen.
Die Ressortchefs unterzeichneten in Brüssel auch den Vertrag zur Schaffung des neuen Krisenfonds für Euro-Wackelkandidaten (ESM). Er soll zum 1. Juli 2013 die derzeitige europäische Finanzfeuerwehr EFSF ablösen. Der Fonds wird eine Kapitalausstattung von 700 Milliarden Euro haben, von denen 80 Milliarden bar eingezahlt werden./mt/cb/DP/ck