EU/Furcht vor neuer Bankenkrise - Massive Steiks in Griechenland (Zus)
BRÜSSEL/BERLIN/ATHEN (awp international) - Die belgisch-französische Bank Dexia wird das erste grosse Opfer der europäischen Schuldenkrise. Die Regierungen in Paris und Brüssel bereiten eine Zerschlagung des Finanzinstituts mit rund 35.000 Mitarbeitern vor. Das nährt die Furcht vor einer neuen Bankenkrise in Europa, zumal EU-Währungskommissar Olli Rehn die Dringlichkeit hervorhob, die Finanzinstitute zu stärken.
"Die Kapitalausstattung der europäischen Banken muss verbessert werden", sagte Rehn der "Financial Times" (Mittwoch). Auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) betonte, die grosse Sorge sei, dass die "beunruhigenden Entwicklungen an den Finanzmärkten in einer Bankenkrise eskalieren" könnten.
Die deutschen Banken benötigen zwar nach Einschätzung der Bundesregierung akut keine Finanzspritzen. Die Institute seien bei Eigenkapital und anderen Faktoren viel besser aufgestellt als noch 2008 in der Finanzkrise, sagte der Sprecher des Bundesfinanzministeriums, Martin Kotthaus, in Berlin. Es gebe momentan keine zusätzlichen Informationen, die Sorgen vor einer drohenden Schieflage deutscher Banken rechtfertigten.
Nach Angaben aus Regierungskreisen wird aber nicht ausgeschlossen, dass der Ende 2010 geschlossene deutsche Banken-Rettungsfonds Soffin bei einer Zuspitzung der Krise rasch wiederbelebt werden könnte. Mit Blick auf den Soffin sagte Kotthaus, man sei insoweit gerüstet, "dass wir relativ schnell und klar Instrumente hätten, die wir kennen".
Aus Protest gegen geplante Massenentlassungen legten am Mittwoch in Griechenland tausende Beschäftigte im Staatsdienst das öffentliche Leben weitgehend lahm. Im Flugverkehr ging wegen eines Fluglotsenstreiks nichts mehr, es fuhr auch kein Zug mehr. Die Busfahrer in Athen legten die Arbeit nieder, Ministerien, staatliche Unternehmen und Schulen wurden ebenfalls für 24 Stunden bestreikt. Ärzte in staatlichen Krankenhäusern behandelten nur Notfälle.
In Athen gingen nach Polizeiangaben etwa 10 000 Demonstranten auf die Strasse, die Gewerkschaften schätzten die Teilnehmerzahl auf mehr als 20 000. "Es reicht. Wir können nicht mehr", hiess es auf Transparenten. Demonstrationen gab es auch in anderen Städten.
Schuldensünder Griechenland hängt am Tropf der Geldgeber aus der Eurozone und dem Internationalen Währungsfonds (IWF), die derzeit über die Auszahlung der nächsten Tranche aus dem ersten Hilfspaket für die Hellenen beraten. Die Kredite sind an harte Sparauflagen geknüpft. Das Land hat nach offiziellen Angaben noch Geld bis Mitte November, danach droht die Staatspleite.
Unterdessen ziehen auch über dem schuldengeplagten Italien wieder dunkle Wolken auf. Die Ratingagentur Moody's hat ihre Bewertung für italienische Staatsanleihen gesenkt. Die Einstufung werde von "Aa2" auf "A2" abgesenkt bei einem negativen Ausblick, teilte die Ratingagentur am Dienstagabend mit. Das Vertrauen der Märkte sei erschüttert, und die italienische Wirtschaft stehe vor grossen strukturellen Herausforderungen. Das Risiko, dass Italien seine Haushaltsziele nicht erreichen könne, sei gestiegen.
Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi versuchte, nach der zweiten Herabstufung durch eine Ratingagentur innerhalb weniger Wochen noch in der Nacht zu beruhigen. Der Schritt sei erwartet worden, Rom arbeite weiterhin mit höchstem Einsatz daran, die Haushaltsziele zu erreichen. Die italienischen Pläne zur Bekämpfung der Schulden- und Wirtschaftskrise seien von der EU-Kommission gut aufgenommen und akzeptiert worden. Das EU-Sorgenkind, dessen Staatsverschuldung im Juli auf mehr als 1,9 Billionen Euro anstieg, strebt bereits für das Jahr 2013 einen ausgeglichenen Etat an.
Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker bekräftigte in Luxemburg, dass die Euro-Partner Griechenland trotz seiner verfehlten Sparziele auf keinen Fall pleitegehen lassen wollen. Dort verschoben die Minister ihre Entscheidung über die nächste Hilfsrate von acht Milliarden Euro auf Mitte bis Ende Oktober.
Auch mit Blick auf die Turbulenzen bei der Dexia-Bank warnte Bundesfinanzminister Schäuble vor einer europäischen Bankenkrise. Es sei vereinbart worden, dass alle EU-Finanzminister beim kommenden Treffen über die Verfassung ihrer Banken und ihre Schritte zur Abwendung einer Krise berichten sollen. Es gelte zu vermeiden, dass die Krise sich über den Bankensektor noch weiter ausweite.
Aus Furcht vor einem Zusammenbruch der Dexia-Bank holten Kunden bereits am Dienstag rund 300 Millionen Euro von ihren Konten, wie die belgische Zeitung "De Tijd" (Mittwoch) unter Berufung auf Unternehmensquellen berichtete. Als Hauptgrund für die Schieflage der Dexia-Gruppe gelten Liquiditätsprobleme. Weil die Bank problematische Wertpapiere für 95 Milliarden Euro hält, gilt sie an den wegen der Schuldenkrise misstrauischen Märkten als Risikofaktor und hat grosse Schwierigkeiten, sich frisches Kapital zu besorgen.
Das Zittern darüber, ob die Slowakei der Ausweitung des Euro-Rettungsschirms EFSF zustimmt, geht unterdessen weiter. Die Mitte-Rechts-Regierung konnte sich auch am Dienstag nicht auf einen Kompromiss einigen. Immerhin wurde vereinbart, dass das Parlament am 11. Oktober über den Rettungsschirm abstimmen soll./hgo/DP/jkr