Erfrischung für die introvertierte Nation
Der Auslandschweizer-Rat, das "Parlament der Fünften Schweiz", tagte am Wochenende in Bern. Er erfrische, so alt-Nationalrat Georg Stucky, die eher introvertierte Nation.
So wäre wohl ohne die Stimmen der Auslandschweizer die "Asylmissbrauchs"- Initiative letzten November angenommen worden.
Rudolf Wyder, ASO-Direktor
Wir fordern ergänzend zur brieflichen Stimmabgabe das e-Voting
Der Auslandschweizer-Rat (ASR) konfrontiere "die doch eher introvertierte Nation gelegentlich mit Aussenansichten", sagte zu Beginn der Frühjahrssitzung Georg Stucky, Präsident der Auslandschweizer-Organisationen (ASO).
Der ASR, auch "Parlament der Fünften Schweiz" genannt, trat letzten Samstag in Bern zwar mit zunehmendem Selbstbewusstsein, aber düsteren finanziellen Aussichten zusammen. Das Bundesdefizit stand im Mittelpunkt. Budgetkürzungen für die Schweizerschulen, swissinfo/SRI und Präsenz Schweiz werden befürchtet.
Andererseit ist "die Fünfte Schweiz zu einem immer gewichtigeren politischen Faktor geworden", fuhr Georg Stucky vor dem rund 80-köpfigen Plenum fort. Insgesamt gibt es rund 150 ASR-Mitglieder.
Ohne ihre Stimme wäre wohl "der Entscheid über die sogenannte Asylmissbrauchs-Initiative umgekehrt herausgekommen". Es gebe Grund, anzunehmen, dass aus der Auslandschweiz ein hoher Anteil von Nein-Stimmen kam.
Bereicherung des politisches Diskurses
Der Auslandschweizer-Rat werde dort, wo es um die Rolle und das Ansehen des Landes in der Welt geht, Stellung beziehen und Parolen fassen.
In der Schweiz nehme man, so Stucky, vermehrt zur Kenntnis, dass die Beteiligung der Landsleute im Ausland eine Bereicherung des inländischen politischen Diskurses darstelle.
Dabei sei der ASR selbst kaum immer einer Meinung - doch wolle er dort eine klare Sprache sprechen, wo sich unter seinen Mitgliedern signifikante Mehrheiten ergäben.
Gegen Abbau der konsularischen Dienste
In der kommenden Juni-Session werde der Nationalrat über einen eventuellen Abbau der diplomatischen und konsularischen Dienste debattieren. Der ASR warnt vor einer weiteren Ausdünnung der Auslandvertretungen - besonders in Krisenzeiten. Dieser Dienst musste bereits schon etliche Abstriche erfahren.
Gerade die obligatorische Anmeldung der Schweizer im Ausland ("Immatrikulationszwang") bleibe unentbehrlich, sagte Stucky: Behörden könnten sich nur mit Personen befassen, die ihnen bekannt seien (Ausstellen von Identitätskarten, Geburtenregistrierung etc.).
Im internationalen Vergleich sei man, was diese Dienste betrifft, an der unteren Grenze des Vertretbaren angelangt. Und als Nicht-EU-Land müsse das gesamte Vertretungsnetz allein unterhalten werden.
Von Zielen auf Finanzen schliessen und nicht umgekehrt
Botschafter Peter Sutter, Chef des Auslandschweizer-Dienstes (ASD) im Eidgenössischen Departement des Äusseren (EDA) und Gast an der Frühlingstagung, doppelte hier nach: Der Bundesrat sei dagegen, einen Abbau der konsularischen Dienste zu prüfen. Doch eventuell beschliesse das Parlament etwas anderes.
Der ASR glaubt, eine mittelfristige Strategie könne nicht darin bestehen, sich nach dem jeweiligen Stand der Bundesfinanzen auszurichten und dann die Ziele in der Aussenpolitik zu formulieren.
Einschnitte bei swissinfo/SRI
Nachträglich sei der Kredit für die Information der Auslandschweizer gekürzt worden. "Drastische Einschnitte drohen auch Institutionen wie swissinfo/SRI und Präsenz Schweiz", so ASO-Präsident Stucky. Der ASR fürchtet sich auch um die Zukunft der Schweizerschulen im Ausland.
Im ganzen gesehen seien die Bundesgelder für die Fünfte Schweiz bescheiden: Dabei schreibe die Verfassung dem Bund vor, die Beziehungen zwischen Ausland- und Inlandschweizern zu unterstützen. Schliesslich müssten die Wähler auch im Ausland informiert werden.
Parlamentswahlen 2003
"Bei Sachabstimmungen liegt die Stimmbeteiligung der Wählerinnen und Wähler im Ausland höher als im Inland", sagte ASO-Direktor Rudolf Wyder. "Doch die Wahlbeteiligung der Auslandschweizer lag bei den letzten Parlamentswahlen 1999 im inländischen Durchschnitt." Wyder fordert deshalb ergänzend zur brieflichen Stimmabgabe das E-Voting (Wählen und Stimmen per Internet).
Ebenfalls gefordert wird, als altes Anliegen, ein zentrales Stimmregister für alle Kantone, damit ersichtlich wird, wieviel der knapp 83'000 der eingetragenen Auslandschweizer wirklich stimmen und wählen gehen. Heute wird das Votum der Auslandschweizer nur in den drei Kantonen Genf, Waadt und Luzern ausgewiesen.
swissinfo, Alexander P. Künzle
Fakten
Die Auslandschweizer-Organisation (ASO) vertritt die Interessen der Auslandschweizer in der Schweiz. Sie informiert sie über das Geschehen in der Schweiz.
Die ASO wird von rund 750 Schweizer-Vereinen in aller Welt getragen.
Sie besteht seit 1916 und wird von den Behörden als Sprachrohr der Fünften Schweiz anerkannt.
Der Auslandschweizer-Rat (ASR) berät zweimal jährlich über wichtige Fragen der Auslandschweizer-Politik und nimmt zu aktuellen Themen Stellung.
Der Auslandschweizer-Dienst (ASD) ist Teil der Politischen Abteilung VI im Eidgenössischen Departement des Äusseren und berät den Bundesrat.

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