Entwicklungshilfe-Instrument Radio
Ein von der Entwicklungs-Organisation Swissaid gefördertes Bauernradio im afrikanischen Guinea-Bissau vermittelt Wissen und soziale Kompetenz.
Damit soll die Ernährungs-Sicherheit gestärkt und politisches Bewusstsein gebildet werden in dem von vielen bewaffneten Konflikten gezeichneten Land.
"In einer Kultur, wo 85% der Menschen weder lesen noch schreiben können, werden Informationen mündlich vermittelt", sagt Alain Geiger gegenüber swissinfo. Er ist der Verantwortliche für das Programm der Entwicklungshilfe-Organisation Swissaid in Guinea-Bissau.
Dies sei seit Jahrhunderten so und werde so bleiben, solange die Ausbildung nicht verbessert werde, erklärt Geiger. Aus diesem Grund unterstützt die Organisation zum Beispiel Radio "Voz de Djalicunda" (Die Stimme von Djalicunda) im armen, zwischen Senegal im Norden und Guinea im Süden gelegenen westafrikanischen Land.
Und seit Frühjahr 2002 hat sich das Leben in dieser armen Gegend im Norden des Landes tatsächlich verändert. Es gibt zwar weder Strom aus der Steckdose noch funktionierende Schulen, doch seit Radio Djalicunda auf Sendung ist, tauschen die isoliert lebenden Menschen nun Informationen aus, erfahren Nützliches.
Sprachrohr der Bauern
KAFO, eine aus 18'000 Mitgliedern bestehende Swissaid-Partnerorganisation, meinte, die Wirkung ihrer Arbeit sei viel grösser, wenn man sie via Radio auch über die Dorfgemeinschaften hinaus verbreiten könne.
So unterstützte Swissaid Ende der 90er-Jahre den Bau und die Ausstattung eines lokalen Gemeinschaftsradios. Es ist das erste Radio dieser Region und wird bis ins Nachbarland Senegal empfangen.
Gesendet wird täglich rund 8 Stunden, je zur Hälfte am Morgen und am Abend. Die Themen: Gesundheit, landwirtschaftliches Wissen, Förderung von Frauen, und dies in sechs verschiedenen lokalen Sprachen.
Die Moderatoren touren täglich durch die Gegend, wo sie die von rund 20 freiwilligen Helfern aufgegriffenen Themen bearbeiten.
Buschtrommel
Die Mitglieder des Bauernverbands können auch kleine Mitteilungen aufgeben. In dieser Gegend ist das sehr nützlich, da Telefone praktisch nicht vorhanden sind. So können bei Bedarf weit entfernt lebende Verwandte über Geburten, Heirat oder Tod in der Familie informiert werden.
Und da der Sender auch im benachbarten Ausland gehört wird, profitieren auch die weit verzweigt lebenden Familien.
Selbstbewusstsein stärken
Radio "Voz de Djalicunda" ist ein typisches Swissaid-Projekt. Die Entwicklungshilfe-Organisation will mit ihrer Arbeit vor allem das Selbstbewusstsein der Menschen stärken.
Alain Geiger: "Wir sprechen mit den Menschen vor Ort nicht nur über Projekte, sondern auch über ihre Visionen, ihre Ziele, ihre Zukunft.
Hilfe zur Selbsthilfe
"Wir unterstützen nur nachhaltige Projekte, die auch noch funktionieren, wenn wir uns zurückgezogen haben", betont Geiger. Swissaid hat denn auch die Ziele für Guinea-Bissau mit bestehenden Partner-Organisationen festgelegt.
So haben sich zwei Hauptaktivitäten herausgeschält: Erstens die Sicherheit, ausreichend und genügend vielfältiges Essen zu haben, und zweitens die Unterstützung der Zivilbevölkerung bei der Einforderung ihrer politischen Rechte.
"Der politische Kontext im Land ist sehr instabil, und die politischen Institutionen sind schwach", sagt Geiger. Hier fällt "Voz de Djalicunda" eine wichtige Aufgabe zu. Die Sendungen mit Tipps, wie Konflikte auch mit friedlichen Mitteln gelöst werden können, stossen auf grosses Interesse.
Traditionelles Wissen erhalten ...
Swissaid will bereits bestehende landwirtschaftliche Kenntnisse, die Bauern einer Region erworben haben, weiter verbreiten. So werden Kontakte vermittelt und der Transport bezahlt. Die gegenseitige Ausbildung übernehmen die Betroffenen selbst.
Damit soll das traditionelle Wissen der Landbevölkerung gesammelt und erhalten werden.
... und nutzbringend anwenden
In einem Dorf im Norden des Landes haben sich rund 100 Frauen zur Produktion von Saatgut zusammengetan.
"Innert 15 Jahren haben sie ein grosses Wissen erworben, welche Reissorten besonders resistent gegen Dürre sind, welche den Konsumenten am besten schmecken, welche den höchsten Ertrag abwerfen", erklärt Geiger.
Nun stellen sie ihre Sorten anderen Dörfern zur Verfügung. Nach der Ernte wird das Saatgut mit einem "Zins" von 10% zurückgegeben.
Mamadu Silla, landwirtschaftlicher Berater der KAFO und Mitbegründer von "Voz de Djalicunda", erklärt: "Das von den guineischen Bauern gesammelte und überlieferte Wissen ist, in Verbindung mit modernen Verfahren, unverzichtbar für eine nachhaltige, von den Bauern kontrollierte Landwirtschaft."
swissinfo, Etienne Strebel
In Kürze
Aktuell wehrt sich Swissaid mit der Sammelkampagne "Keine Patente auf unsere Zukunft" gegen die Patentierung von biologischen Ressourcen wie Pflanzen, Tieren, Mikroorganismen und Genen. Denn damit sicherten sich Konzerne Monopole zum Nachteil von Entwicklungsländern.
Das Parlament soll mit der Patentgesetzrevision der "Biopiraterie" einen Riegel schieben.
Für Swissaid gefährden Patente die weltweite Ernährungssicherheit und die Lebensgrundlagen der schwächeren Länder des Südens.
Zudem existieren ungleiche Kräfteverhältnisse: 90% der Ressourcen befinden sich in den Entwicklungsländern, während 97% aller Patente in den Industrienationen vergeben sind.
Fakten
Swissaid ist aktiv in Indien, Burma, Guinea-Bissau, Niger, Tansania, Tschad, Ecuador, Kolumbien und Nicaragua.
Tätigkeit in der Schweiz: Öffentlichkeitsarbeit, Entwicklungspolitik, Fundraising.
Swissaid generierte 2005 Einnahmen von rund 16 Mio. Franken.
In der Schweiz beschäftigt Swissaid 29 Personen (21,5 Stellen), in den 9 Koordinationsbüros 59 meist einheimische Personen (54,5 Stellen).

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