Ein kanadischer Guru verkauft der Schweiz die "swissness"
Offenbar brauchte es den kanadischen "Guru des Stils", Tyler Brûlé, um die Schweizer davon zu überzeugen, dass "swiss" sehr gut zu vermarkten ist.
"Tyler sitzt nicht gerne." Dies die Antwort von Brûlés Assistentin, als wir sie fragten, ob wir ihn in einem der Erstklasssitze der neuen Airline fotografieren könnten.
Stattdessen liess sich Brûlé beim Hangar, vor einem Flugzeug der "swiss" ablichten. So nannten er und seine Werbeagentur, Wink Media, die neue nationale Fluggesellschaft, welche die eingegangene Swissair ablöst.
Brûlé wählte den Namen "swiss", weil dieser seiner Ansicht nach für alles steht, was die neue Airline sein will - eine europäische Fluggesellschaft der oberen Klasse, "welche für beste Qualität steht".
Aber warum brauchte es einen Ausländer, um Management und Direktion der neuen Fluggesellschaft davon zu überzeugen, dass "swiss" ein besserer Name ist als zum Beispiel "Mountain Air"?
Warum Brûlé?
Brûlé weiss genau, warum man auf ihn kam. "Ich denke, es geht immer darum, dass man vor lauter Bäumen den Wald nicht sieht. Wenn man so nahe ist an etwas (wie die Schweizer in diesem Fall), wird man nach einer Weile immun dagegen. Deshalb brauchte es uns, um das zu betonen."
Marketing-Experten stimmen dem zu. Sie glauben aber, dass man Brûlé holte wegen dem, was er ist und was er weiss. "Sie (die Schweizer) brauchten eine bekannten Namen für das Branding der Airline", sagt Richard Kuhn, der Direktor des Instituts für Marketing der Universität Bern.
In den Medien wird denn auch seit kurzem darüber spekuliert, wie viel Einfluss Brûlé, der Herausgeber des Stilmagazins "Wallpaper", auf die neue Airline hatte. Einige Zeitungen schrieben, die Fluggesellschaft habe beschlossen, ausser dem Namen keine seiner Ideen zu übernehmen. Seine grandiosen Pläne für ein "Flaggschiff", das der Stolz der Schweizer Flugflotte sein sollte, und seine Ankündigung, dass er mit einer Textilfirma wegen der Überzüge der Sitze in den neuen Flugzeugen verhandle, hätten dagegen zu nichts geführt.
Über den Markennamen hinaus
Laut Kuhn wurde Brûlés Einfluss wohl durch seine begrenzten Kenntnisse der Industrie geschmälert. "Es gibt immer Probleme, wenn jemand als Erfinder von Markennamen bekannt ist - oft weiss er nicht sehr viel von der geschäftlichen Realität einer bestimmten Marke."
Die neue Bordzeitschrift der swiss würdigt den Kanadier mit "Tyler kam, sah und siegte." Aber laut Björn Näf, dem Vizepräsidenten der swiss und verantwortlich für Produkte und Dienstleistungen, wurde Brûlé wegen seiner Ideen angestellt. Die swiss ist nicht verpflichtet, diese auch umzusetzen.
"Zum Beispiel die Produkte: wenn er kommt und über Uniformen spricht, dann sind wir offen für seine Ideen", meint Näf. "Wir brauchen kreative Leute, aber auch solche, welche die Ideen umsetzen können. Es ist die Kombination der beiden, die zum Erfolg führt."
Es ist klar, dass Brûlé die neue Schweizer Fluggesellschaft in die Richtung wies, welche alle anstrebten. Aber die Chefs brauchten auch die Unterstützung von aussen.
Minderwertigkeitskomplex
"Ich glaube, die Schweizer brauchten ihn, um ihnen über ihren Minderwertigkeitskomplex hinwegzuhelfen", glaubt der Fernsehmann Kurt Aeschbacher. "Die Schweizer haben Mühe damit, auf Erreichtes stolz zu sein. Es brauchte vermutlich jemanden aus Kanada, der uns klar machte, was wir eigentlich schon alles erreicht haben."
Zurück auf dem Flughafen Zürich. Die vom Flugzeug reflektierende Frühlingssonne blendet Brûlé und er muss die Augen zukneifen, als er uns erklärt, was hinter dem neuen Design steht, und uns noch ein wenig über seine Ideen für die Flugzeuge erzählt.
"Sie müssen weiss und ganz sauber sein", sagt er. "Wir finden auch, dass die Flugzeuge häufiger gereinigt werden müssen, damit sie nie grau und vernachlässigt aussehen."
Ob sein Einfluss nun gross oder klein ist, Brûlé weiss genau, was für Schweizer und Schweizerinnen wichtig ist, auch wenn sie es vielleicht etwas anders ausdrücken würden.
Dale Bechtel

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