Ehemaliger Finanzstar vor Gericht
Martin Ebner muss sich seit Mittwochmorgen wegen Insiderhandels vor dem Bezirksgericht Zürich verantworten.
Die Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung ist jedoch gering: Der Insider-Strafartikel besteht seit 25 Jahren, doch bisher gab es noch kein rechtskräftiges Urteil.
Der Financier wird erneut mit seiner Vergangenheit konfrontiert. Aber erstmals steht Martin Ebner dabei vor Gericht. Der Fall liegt fünf Jahre zurück, und Ebner stand damals noch als erfolgreicher wie umstrittener Financier auf dem Höhepunkt seiner Macht.
Der Promoter des Shareholder-Value hatte es auf die komplizierte Firmenstruktur des italienisches Reifenherstellers Pirelli abgesehen, wo er zweitgrösster Aktionär war.
Um am Markt besser abzuschneiden und die Aktie attraktiver zu machen, wollte Ebner die an der Schweizer Börse SWX kotierte und in Basel domizilierte Société Internationale Pirelli (SIP) aus der kaskadenartigen Firmenstruktur entfernen. Der Pirelli-Konzern sollte die Aktien zurückkaufen.
Im Vorfeld des Aktienrückkaufs hatte Ebner einen Teil seines SIP- Aktienpakets verkauft. Der Zürcher Bezirksanwalt Marc Jean-Richard-dit-Bressel sieht hier ein Vergehen gegen die Insiderstrafnorm. Er fordert sieben Jahre Gefängnis bedingt, bei einer Probezeit von zwei Jahren.
Als Beauftragter habe sich Ebner einen Vermögensvorteil verschafft, indem er die Kenntnis einer vertraulichen Tatsache ausgenützt habe, heisst es in der Anklageschrift.
Das Bekanntwerden dieser Tatsache habe den Kurs der Aktien der Gesellschaft in voraussehbarer Weise erheblich beeinflussen können. Der zur Vollendung des Vergehens gehörende Erfolg sei dabei aber nicht eingetreten.
Treffen mit Pirelli-Spitze am 10. März 1998
Die vertraulichen Informationen soll Ebner bei einem Treffen mit der Pirelli-Führung am 10. März 1998 am Flughafen Zürich erhalten haben, wo es um die Vereinfachung der Pirelli-Aktionärsstruktur ging.
Spätestens an dieser Sitzung habe er erfahren, dass der Pirelli-Konzern der Öffentlichkeit zwei Wochen später, am 24. März, ein Rückkaufsangebot für die SIP-Aktien unterbreiten werde. Ebner habe dabei eine beratende Aufgabe gehabt, wirft ihm die Anklageschrift vor.
Weiter habe er "sehr konkrete Anhaltspunkte" dafür erhalten, dass dieses Rückkaufsangebot zwischen 330 und 350 Franken liegen werde. Am Tag des Treffens war der Kurs der SIP-Aktie bis 364.50 Franken geklettert.
Zurück am Firmensitz der BZ Gruppe habe Ebner seine Börsenhändler beauftragt, einen Teil der SIP-Titel zu verkaufen. Ebner habe voraussehen können, dass der SIP-Aktienkurs nach der Bekanntgabe des Rückkaufs sinken werde.
Die Transaktion zog aber keinen Vermögensvorteil nach sich. Die Veröffentlichung der Rückkaufofferte am 24. März liess die Kurse steigen. Unter dem Strich resultierte für Ebner ein Verlust von rund 66'000 Franken.
Ebner sieht Vorwürfe unbegründet
Ebner selbst sieht die Vorwürfe als unbegründet an: "Ich bin bestürzt und verstehe nicht, was die Anklageschrift mir vorwirft", schrieb er in einer Pressemitteilung als Antwort auf die Anklage.
Die BZ Gruppe habe zu keinem Zeitpunkt als Beauftragter der SIP gehandelt, sondern nur die eigenen Interessen und diejenigen ihrer Kunden verfolgt. Mit den Aktienverkäufen vor dem 24. März sollte im Sinne eines "Market Making" der SIP-Kurs gedrückt werden.
"Die BZ Gruppe ist überzeugt, dass das Verfahren vor Bezirksgericht ergeben wird, dass sich Martin Ebner und die BZ Gruppe in jeder Beziehung korrekt verhalten haben", hiess es abschliessend in seiner Stellungnahme.
Verurteilung unwahrscheinlich
Ebners Optimismus ist nicht unbegründet: Der Insider-Strafartikel 161 besteht seit 25 Jahren, doch aus den über 50 seither eingeleiteten Verfahren ist noch kein rechtskräftiges Urteil hervorgegangen.
Nur der ehemalige Holcim-Verwaltungsratspräsident Thomas Schmidheiny wurde unlängst wegen Insiderhandels verurteilt - dies aber in Spanien.
Die oft als zahnloser Papiertiger titulierte Schweizer Strafnorm soll nun mehr Biss erhalten: Eine Arbeitsgruppe unter der Leitung des Zuger Regierungsrats Hanspeter Uster schliesst demnächst ihren Bericht zu einer Verschärfung der Insider-Strafnorm ab.
Ein zentraler Punkt ist dabei die Definition des Insiders: Bisher waren dies Führungskräfte und Berater. Gefordert wird, auch Grossaktionäre als Insider zu betrachten, wie dies in der EU bereits der Fall ist. Kritisiert wird zudem, dass Gewinnwarnungen von Unternehmen kein Insider-Handelsverbot auslösen.
swissinfo und Agenturen

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