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Deutsche Theater in Schweizer Hand

Stille Zeugen am Deutschen Nationaltheater in Weimar. Keystone Archive

In der Thüringer Theaterszene gibt seit Spielzeitbeginn die Schweiz den Ton an.

Dieser Inhalt wurde am 08. September 2002 publiziert Minuten

Gleich drei helvetische Intendanten bestimmen in Weimar, Erfurt und Meiningen die Entwicklung der traditionsreichen Häuser.

Dienstältester ist am Deutschen Nationaltheater Weimar der Berner Stephan Märki. Seit Sommer 2000 versucht der 47-Jährige Johann Wolfgang Goethes Schauspiel, Musiktheater und Orchester über die Zeit zu retten. Sein Weimarer Modell mit Verzicht auf Tarifsteigerungen bis 2008 sorgte bundesweit für Diskussionen.

In Erfurt hat gegenwärtig der Genfer Guy Montavon das Sagen, in Meiningen Res Bosshart. Sie sehen ihre Rettung eher in der Konzentration einzelner Häuser auf bestimmte Sparten.

Neue Wege als Überlebensstrategie

So unterschiedlich die drei Männer auch sind, eines verbindet sie: Die Sorge um den Erhalt ihrer Theater. Kommunen und Land Thüringen können die Gelder zum Ausgleich steigender Tarife nicht weiter erhöhen. Um weiter Theater in guter Qualität zu bieten, müssen neue Wege ausprobiert werden.

Die drei Städte versuchen dies jede auf ihre Art. Weimar will das klassische Drei-Sparten-Haus erhalten. Meiningen favorisiert eine Lösung mit Eisenach, in der beide Theater unter einer Leitung eigenständig bleiben. Erfurt schafft Schauspiel und Ballett ab und setzt voll auf Musiktheater.

Spartenabbau oder Lohnstopp?

Er verstehe sich mit Märki gut, sagt Montavon, der von Giessen in die Thüringer Landeshauptstadt wechselte. Bei den Strukturänderungen trennen sich jedoch ihre Auffassungen. "Ich bin der Meinung, in Weimar muss die Dramaturgie gepflegt werden, alte und neue. Das Musiktheater gehört woanders hin." Der mit 41 Jahren jüngste der drei Schweizer will mit dem Musiktheater in Erfurt in die "Bundesliga" der deutschen Musiktheater aufsteigen.

"Was passiert, wenn Erfurts Weg scheitert und die Strukturen zerstört sind?", fragt Märki. Natürlich seien die Mitarbeiter nicht begeistert, über Jahre auf Tariferhöhungen zu verzichten, aber es gebe keine sinnvolle Alternative.

"Mit jedem Taxifahrer und Eisverkäufer kannst du in Weimar über Theater reden. Vielleicht nur noch in Wien sind Theaterleute so geachtet." Dass der Kampf ums Überleben jedoch so heftig wird, habe er nicht geahnt. Zuvor hatte er in Potsdam aus Protest um den Spartenabbau seinen Intendantenposten niedergelegt.

Individualistische Schweizer

Potsdam ist die einzige Verbindung zu Bosshart, der zu dieser Zeit Intendant des Hamburger Theaterzentrums Kampnagel war. Beide kooperierten bei einem Stück von Werner Schwab. Persönlich kennen sie sich nicht. "Das ist typisch, dass Schweizer, die in aller Welt zerstreut sind, nicht gleich aufeinander zu rennen", beschreibt Märki seine Landsleute. "Es steht jeder auf seinem Berg und grüsst in weiter Ferne." Schweizer seien Individualisten.

Bosshart reizte nach sieben Jahren Hamburg mit neuesten Tendenzen in der darstellenden Kunst der Gegensatz Meiningen mit Ensemblespiel und Musiktheater. Dass er gleich in so heftige Debatten verwickelt wird, ahnte er nicht. "Der einzige Weg, dass Meiningen seine Sparten behält, ist die Zusammenarbeit mit Eisenach."

In Meiningen sollen Schauspiel und Musiktheater erhalten bleiben, in Eisenach Ballett, Musical, Kinder- und Jugendtheater arbeiten. Das Weimarer Modell kommt für ihn nicht in Frage. "Ich will doch nicht Theater machen auf Kosten der Künstler."

swissinfo und Agenturen

Fakten

3 Schweizer Intendanten in Thüringen:

Stephan Märki am Deutschen Nationaltheater Weimar

Guy Montavon in Erfurt

Res Bosshart in Meiningen

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