Demonstranten in Weiss auf dem Bundesplatz
Mindestens 10'000 Hausärztinnen und Hausärzte haben am Samstag vor dem Bundeshaus für bessere Arbeitsbedingungen demonstriert.
Gleichzeitig wurde eine Petition mit mehr als 300'00 Unterschriften deponiert. Laut Organisatoren war es die grösste Kundgebung von Schweizer Ärzten aller Zeiten.
Die in weisse Kittel gekleideten Demonstranten warnten auf zahlreichen Transparenten vor dem Aussterben ihres Berufes: "Vom Sterben bedroht" oder "Nachwuchs nicht in Sicht", war auf dem bis in die Seitengassen gefüllten Bundesplatz zu lesen.
Die Allgemeinmediziner verlangen bessere Arbeitsbedingungen, umfassende Mitspracherechte und praxisnahe Aus- und Weiterbildungs-Möglichkeiten.
Auf Bahren wurde die Petition "Gegen eine Schwächung der Hausarztmedizin" ins Bundeshaus getragen. Rund 300'000 Personen hatten den Forderungskatalog unterschrieben.
Keine bürgerlichen Redner
"Keiner kann an 300'000 vorbeischauen", sagte Hans-Ueli Späth, Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Allgemeinmedizin. Doch keiner der angefragten bürgerlichen Politikerinnen und Politiker habe sich auf dem Bundesplatz exponieren wollen, bedauerte er.
Sie sei wütend auf Politiker, Behörden, Krankenkassen und Tarifpartner, sagte die Hausärztin Margot Enz zum Auftakt der Reden auf dem Bundesplatz: "Diese betonen immer wieder die zentrale Stellung der Hausarztmedizin im Gesundheitswesen, lassen uns in entscheidenden Momenten aber im Regen stehen."
Einzelkämpfer haben ausgedient
Die Sorgen der Hausärzte seien berechtigt, befand die Sozialdemokratische Berner Ständerätin Simonetta Sommaruga in ihrer Ansprache. In der Ausbildung komme die Hausarztmedizin praktisch nicht vor. "Das ist ein Skandal."
Sommaruga erntete jedoch vereinzelt Pfiffe, als sie die Hausärzte zu mehr Eigeninitiative aufforderte: "Das Einzelkämpfertum in der Grundversorgung ist ein Auslaufmodell", sagte sie und plädierte für Gruppenpraxen und Ärztenetzwerke.
Nur der Anfang?
"Wir sind unzufrieden, weil uns die positive Wertschätzung unserer Arbeit fehlt", sagte Beat Rössler, Vizepräsident der Schweizerischen Gesellschaft für Innere Medizin. Hausärzte böten halt keine spektakulären Eingriffe, mit denen man in Fernsehsendungen Eindruck erwecken könne.
Kämpferisch äusserte sich Hans-Ueli Späth gegen Ende der Kundgebung: "Wir werden mit der Besetzung des Bundesplatzes den Tod des Hausarztes verhindern. Diese Kundgebung ist nur der Anfang - denkt daran!"
Ländliche Gebiete nicht mehr attraktiv
Dass die Hausärzte in der Schweiz bald aussterben, glaubt indes der Direktor des Krankenkassen-Branchenverbandes Santésuisse, Marc-André Giger nicht. Die Demonstration wertet er als "Ausdruck eines Unbehagens".
Die Hausärzte befürchteten, den Status zu verlieren, den sie noch vor 10 oder sogar 5 Jahren hatten, sagte Giger in einem Interview. Dass die Allgemeinmediziner nun vors Bundeshaus zögen sei möglicherweise vorab politisch motiviert.
"Das Problem ist die Verteilung: Wir haben nicht zu wenige Ärzte - wir haben zu viele Ärzte, aber am falschen Ort", so Giger. Es brauche neue Rahmenbedingungen, um das Praktizieren in ländlichen Gebieten wieder attraktiv zu machen.
swissinfo und Agenturen
In Kürze
In der Schweiz praktizieren knapp 9000 Hausärztinnen und Hausärzte. Die meisten arbeiten als Selbständige.
Sie stellen die medizinische Grund-Versorgung sicher und behandeln 80% der Fälle. 20% werden von den Spezialärzten behandelt.
Mehr als 50% der Haus-Ärzte sind älter 50.
Gemäss einer Studie streben lediglich 10% der Medizin-Studentinnen und –Studenten eine Karriere als Allgemeinpraktiker an.
Auf den 1. Januar 2006 hat der zuständige Bundesrat Pascal Couchepin die Labortarife um 10% gesenkt.
Hausärzte unterstehen automatisch einem Vertrag mit den Krankenkassen (Vertragszwang). Zurzeit wird auf politischer Ebene die Aufhebung des Vertragszwangs diskutiert.

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