Das menschliche Ohr hat ausgedient
Vor zwei Jahren haben die SBB den Beruf des "Horchers" eingeführt. Diese waren zuständig für die Sicherheit der seither mit 100 statt 80 Stundenkilometern fahrenden Güterzüge.
Die Horcher kontrollierten vorbeifahrende Güterzüge auf Geräusche und damit auf Flachstellen an den Rädern. Nun lösen automatische "Radlast-Checkpoints" das menschliche Ohr ab.
Da die Kapazitäten auf dem Schienennetz der Schweizerischen Bundesbahnen immer mehr ausgenutzt werden, müssen auch die Güterzüge auf höhere Geschwindigkeiten ausgelegt werden.
Bis vor zwei Jahren durften Güterzüge maximal auf 80 Stundenkilometer beschleunigen. Seit zwei Jahren erreichen sie auf gewissen Strecken 100 Stundenkilometer. Das trägt vor allem im neuen Lötschberg-Basistunnel zu einer Kapazitätssteigerung bei.
Zwei Jahre lang garantierten bei den SBB 17 Horcher für die Sicherheit der Güterzüge mit ihren hohen Achslasten. Die Horcher lauschten in vier Rangierbahnhöfen nach dem typischen Klopfgeräusch von Flachstellen.
Technik löst Mensch ab
Flachstellen können zu Schäden an Rädern, Achsen oder an den Gleisen - und sogar zu Entgleisungen - führen. Sie treten etwa dann auf, wenn an einem Güterwagen vergessen wird, die Handbremse zu lösen.
In vier Rangierbahnhöfen lauschten die Horcher bei passierenden Güterzügen nach dem typischen Klopfgeräusch von Flachstellen. Wenn sie ein solches Geräusch entdeckten, wurde die Zugskomposition überprüft.
Die Aufsichtsbehörde des Bundes, das Bundesamt für Verkehr (BAV), auferlegte der SBB diese zusätzliche Massnahme. Nun aber braucht es das menschliche Ohr nicht mehr, damit Güterzüge mit Achslasten von mehr als 20 Tonnen mit Tempo 100 fahren dürfen, wie einem Bericht der jüngsten "SBB-Zeitung" zu entnehmen ist.
Studien zufolge ist das Schadenrisiko kleiner als angenommen. Und neu prüfen automatische "Radlast-Checkpoints" (RLC) die Schwergewichte. "Die 17 Horcher kehren zu NOA zurück", ausgedeutscht zu "Neuorientierung und Arbeit" oder werden pensioniert.
Seit dem Fahrplanwechsel im Dezember 2007 steht die erste Anlage vor den Toren Thuns in Betrieb. Auf der Gegenseite des neuen Lötschberg-Basistunnels, in Brig, sowie bei den Tunnelausfahrten Nord und Süd wurden ebenfalls RLC eingebaut.
Vier statt zwei Güterzüge
Insgesamt sind 15 RLC-Standorte auf dem Schweizer Schienennetz geplant. In diesem Jahr sind Basel und Chiasso an der Reihe, damit auch die Nord-Süd-Achse auf Ladeverschiebungen überwacht werden kann.
Bislang löste keiner der vier in Betrieb stehenden Checkpoints einen Alarm aus, doch drei Züge waren hart an der Grenze, wie der Bereichsleiter Zugkontrolleinrichtungen (ZKE), Urs Nietlispach, in einer ersten Bilanz ausführte.
Die höhere Geschwindigkeit hat positive Folgen: Mit 100 Kilometern pro Stunde hat es im neuen Lötschberg-Basistunnel Platz für vier statt nur zwei Güterzüge pro Stunde.
Bei den "Radlast-Checkpoints" handelt es sich um rund vier Meter lange Metallstreifen, die bei der Vorbeifahrt eines Zuges die wegen des Gewichts entstehende Verformung der Schiene misst und diese Informationen in elektrische Signale umwandelt.
Ein Systemrechner ermittelt anhand der Signale die Radlasten. Übersteigt bei einer Achse das Verhältnis von links und rechts den Wert von 1:2, beispielsweise links sieben Tonnen und rechts 15 Tonnen, löst das System Alarm aus.
Die Alarmmeldung geht an das Interventionszentrum ZKE in Erstfeld und an die BLS-Betriebsleitzentrale Spiez. Letztere stoppt den Zug und leitet die weiteren Interventionsschritte ein.
swissinfo und Agenturen
Lötschberg-Basistunnel
Der im Sommer 2007 offiziell eröffnete Lötschberg-Basistunnel ist mit 34,6 Kilometern der drittlängste Eisenbahntunnel der Welt. Er führt von Frutigen im Berner Oberland bis Raron im Rhonetal.
Die Linienführung verläuft rund 400 Meter unterhalb des höchsten Punktes der bisherigen Bergstrecke.
Seit 9. Dezember 2007 verkehren die Personen- und Güterzüge regulär durch den Basistunnel.
Der alte, 17 Kilometer lange Tunnel verbindet Kandersteg mit Goppenstein. Die Bergstrecke wird als Regionallinie nach wie vor den Bern-Lötschberg-Bahnen (BLS) betrieben.

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