CH/Frankenstärke: Tourismusbranche fordert tiefere Mehrwertsteuer (Zus)
(Neu: Abschnitte 9 (Swissrail) sowie 13 und 14 (Schneider-Ammann) nach dem Lead)
Bern (awp/sda) - Der Verteilkampf um das 2-Milliarden-Hilfspaket ist zu Wochenbeginn in eine neue Runde gegangen. Während die Tourismusbranche einen befristeten Mehrwertsteuersatz von 2,5% fordert, will Swissmem eine Abschwächung des Frankens durch die Nationalbank.
Vertreter der Tourismusbranche haben sich am Montag an einem runden Tisch getroffen. Mit einem Massnahmenpaket wollen der Dachverband und die Leitverbände die 35'000 KMU des einheimischen Tourismus-Sektors von den Folgen des starken Frankens entlasten. Kernstück der Forderungen: ein für 2012 befristeter Mehrwertsteuersatz von 2,5%.
Heute beträgt der Mehrwertsteuersatz für gastronomische Leistungen 8%. Bis Ende 2013 gilt zudem ein Sondersatz für Beherbergungsleistungen von 3,6%.
Ab 2013 will die Tourismusbranche ein Mehrwertsteuer-Zweisatzmodell einführen, das generell einen tieferen Satz für Hotellerie und Gastronomie vorsieht. Dies sei nötig, denn der starke Franken werde "dramatische Auswirkungen auf die ausländische Nachfrage nach Logiernächten haben", schreibt der Schweizer Tourismus-Verband (STV) in einer Mitteilung vom Montag.
Neben der Mehrwertsteuer fordert die Branche weitere Zugeständnisse der Politik: Für ein nachhaltiges Marketing in Übersee brauche es mehr Geld. Der Kredit für Schweiz Tourismus, über den das Parlament voraussichtlich im Herbst entscheidet, soll wieder auf 227 Mio CHF erhöht werden, schreibt der STV.
Aktiv geworden ist dieser Tage auch Schweiz Tourismus. Die Marketingorganisation hat ihren Mitgliedern einen Massnahmenkatalog zugestellt. In diesem 6-Punkte-Plan setzt sie unter anderem auf die Erschliessung neuer Märkte und auf Werbung in sogenannten Nahmärkten.
In ausgewählten Zeitungen wie der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" will Schweiz Tourismus Inserate mit folgendem Text schalten: "Die ganze Welt sitzt jetzt auf Schweizer Franken. Wie helfen Ihnen, sie wieder loszuwerden."
Andere Sorgen hat die Exportwirtschaft - und folglich auch andere Rezepte. "Was wirklich hilft, ist eine deutliche Abschwächung des Frankens, sagte Swissmem-Sprecher Ivo Zimmermann auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda. Swissmem ist der Verband der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie. Er begrüsst das Eingreifen der Schweizerischen Nationalbank (SNB) gegen die Währungshausse.
Laut Zimmermann sind insbesondere Massnahmen gefragt, die kurzfristig Entlastung bringen. Steuerliche Entlastungen und Innovationsförderung zum Beispiel wirkten nur mit Verzögerung. Die Zeit dränge jetzt aber.
Swissrail, der Branchenverband der schienengebundenen Industrie, verlangte vom Bund eine Kursgarantie von 1,35 Franken gegenüber dem Euro. Die Unternehmen würden demnach zum Tageskurs in den Euroraum verkaufen, ein Bundesfonds würden ihnen dann die Differenz erstatten.
Zum Thema geäussert hat sich am Montag auch die FDP. Dabei ist nach wie vor unklar, ob die Partei die bundesrätlichen Vorschläge im Kampf gegen den starken Franken unterstützten wird.
FDP-Präsident Fulvio Pelli sprach sich zwar vor den Medien in Bern erneut für kurzfristig wirksame Massnahmen aus. Wie diese aussehen müssten, damit sie für die FDP akzeptabel wären, wollte er aber nicht sagen. Nur so viel: Die Unternehmen bräuchten Unterstützung, denn wer jetzt rote Zahlen schreibe, müsse im nächsten Jahr eine höhere Zinslast hinnehmen.
Auch ob die im Rahmen des 2-Milliarden-Hilfspakets angedachten Massnahmen den freisinnigen Ansprüchen genügten, wollte Pelli nicht sagen. Er wolle nicht kommentieren, was der Bundesrat noch nicht ausformuliert habe, erklärte er.
Bundesrat Johann Schneider-Ammann zeigte sich nicht erstaunt über die Kritik am Massnahmenpaket. Der Bundesrat habe in einer schwierigen Situation ein Zeichen setzen wollen, erklärte der Volkswirtschaftsminister in Basel.
Nun formulierten alle Seiten - darunter auch die Kantone - ihre Ansprüche. Der Bundesrat müsse beschliessen, wie er diese Mittel einsetze. Es brauche zielführende Massnahmen.
Der Franken verlor am Montag gegenüber dem Euro leicht an Wert. Am Abend kostete ein Euro um die 1,1350 CHF. Zuvor war der Kurs tagsüber einerseits auf bis 1,1267 CHF gefallen, anderseits aber auch auf bis zu 1,1383 CHF hoch geklettert.
Laut Händlern war das Auf und Ab des Frankenkurses auf anhaltende Gerüchte um weitere Massnahmen der Schweizerischen Nationalbank (SNB) zurückzuführen. So waren gewisse Experten der Meinung, dass die jüngste Abwertung des Frankens nicht auf die Massnahmen der SNB zurückführen seien, sondern die Erwartung weiterer Massnahmen abbildeten.