CH/Frankenstärke: Bundesrat will Wirtschaft mit 2 Mrd CHF stützen (AF)
(Meldung durchgehend ergänzt und umgeschrieben)
Bern (awp/sda) - Der Bundesrat hat am Mittwoch Massnahmen zur Abfederung des starken Frankens beschlossen. Er will die Wirtschaft mit 2 Mrd CHF stützen, wie Volkswirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann und Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf vor den Medien in Bern sagte. Denn nach wie vor sei der Schweizer Franken überbewertet. "Aufgrund der Schuldenproblematik in der EU und einer schwächeren Konjunktur weltweit dürfte die Schwäche von Euro und US-Dollar gegenüber dem Franken noch eine Weile anhalten", so der Magistrat weiter.
"Der Bundesrat hat einen mutigen und eindrücklichen Schritt gemacht", sagte Schneider-Ammann. Das Massnahmenpaket soll dem Parlament in der Herbstsession vorgelegt werden. Profitieren sollen vor allem die Exportwirtschaft und der Tourismus. Dabei liege der Fokus auf einer temporäre Kostenreduktion, einer Stärkung der Innovationskraft und einer gezielten Verbesserung der langfristigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in der Schweiz.
PAKET WIRD VON TASKFORCE VORBEREITET
Was die Massnahmen genau beinhalten, ist noch offen: Das Paket werd von einer Taskforce bestehend aus der SNB, dem EVD und der EFD unter der Leitung des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) vorbereitet, erklärte BR Schneider-Ammann weiter. Klar sei indes, dass von den Massnahmen besonders von der schlechten Wechselkurssituation betroffenen Sektoren begünstigt werden sollen. Damit soll der Abwanderung von Arbeitsplätzen ins Ausland vorgebeugt werden.
Um den Wettbewerb zu stärken, will der Bundesrat auch eine Kartellgesetzrevision in die Wege leiten, welche horizontale Preis-, Mengen- und Gebietsabreden sowie vertikale Preisbindungen und Gebietsabschottungen wirkungsvoller unterbindet. "Zudem soll das SECO verschärft die Weitergabe von Währungsgewinnen überprüfen", so Schneider-Ammann.
Für die intensivierte Durchsetzung des Kartellgesetzes in seiner heutigen Form erhält die Wettbewerbskommission WEKO weiter während zwei Jahren vier zusätzliche Stellen. Das gleiche gelte für die Preisüberwachung, die in den nächsten Monaten neben dem Ausbau der angestammten Tätigkeitsbereiche vermehrt das Gespräch mit Herstellern und Händlern suchen muss, damit die Wechselkursvorteile weitergegeben werden.
IMMOBILIENBLASE VERHINDERN
Weiter will der Bundesrat eine Immobilienblase in der Schweiz verhindern. In bestimmten Fällen sollen Banken Hypothekarforderungen mit mehr Eigenmitteln unterlegen müssen. "Als Folge der vorteilhaften Zinssituation ist bei den Banken eine erhöhte Kreditvergabe für Wohnimmobilien festzustellen", erklärte Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf. Diese Tendenz werde - im Sinne eines ungewollten Nebeneffekts - noch verstärkt durch die aktuellen geldpolitischen Massnahmen der Nationalbank.
Der intensive Wettbewerb habe zudem dazu geführt, dass die Banken die Tragbarkeits- und Belehnungsbestimmungen teilweise wieder weniger streng handhabten. Dieser Entwicklung wolle der Bundesrat mit strengeren Vorgaben für die Eigenmittelunterlegung entgegenwirken. Per 1. Januar 2012 sollen deshalb Hypothekarforderungen, die über die üblichen Belehnungs- und Tragbarkeitsnormen hinausgehen, durch die Banken zusätzlich mit Eigenmitteln unterlegt werden müssen.
KAPITALPUFFER FÜR DIE BANKEN
"Wir prüfen zudem die Einführung eines antizyklisch wirkenden Kapitalpuffers", so Widmer-Schlumpf weiter. Dieser hätte zum Zweck, die Widerstandfähigkeit der Banken gegenüber Risiken zu stärken, die in Verbindung mit übermässigem Kreditwachstum auf dem Schweizer Hypothekar- und Immobilienmarkt stünden.
Der Kapitalpuffer würde Banken verpflichten, abhängig von der Entwicklung auf dem Kreditmarkt und zeitlich limitiert zusätzliche Eigenmittel zu halten. Zudem soll der Puffer einem übermässigen Kreditwachstum entgegenwirken. Bei der Aktivierung und Deaktivierung des antizyklischen Kapitalpuffers werde neben dem EFD und der FINMA der SNB eine zentrale Rolle zukommen, so Widmer-Schlumpf weiter. Ergänzend zu diesem Massnahmenpaket werde die FINMA ihre intensive Überwachung der Durchsetzung der qualitativen Vorgaben bei der Kreditvergabe fortsetzen.
RECHNUNGSÜBERSCHUSS 2011 EINSETZEN
Zur Finanzierung des Massnahmenpakets soll ein Teil des Rechnungsergebnisses 2011 eingesetzt werden. Prognostiziert wird gemäss neusten Hochrechnungen ein Überschuss von rund 2,5 Mrd CHF. Der Bundesrat will die Mittel indes strikt auf einen Maximalbetrag von 2 Mrd CHF begrenzen, wie es in einer Mitteilung des Volkswirtschaftsdepartementes (EVD) heisst. Denn einen noch höheren Anteil des geschätzten strukturellen Überschusses einzusetzen, wäre nach Überzeugung des Bundesrats angesichts der noch verbleibenden Unsicherheit bei der Hochrechnung unvorsichtig.
"Wir werden die Vorgaben der Schuldenbremse weiterhin strikt einhalten", so schneider-Ammann weiter. Deshalb werde der Rest des Überschusses auch zum weiteren Abbau der Verschuldung eingesetzt werden. Die erforderlichen Mittel sollen schwergewichtig über einen separaten Nachtrag zum Budget 2011 bereit gestellt werden. Dieser wäre dem Parlament so zu unterbreiten, dass er in der Herbstsession 2011 behandelt werden könnte.
BUNDESRAT MIT SNB ZUFRIEDEN
Mit den Massnahmen der SNB zeigten sich die Bundesräte indes sehr zufrieden. "Wir haben die Intervention der SNB sehr begrüsst", erklärte Schneider Ammann zu Beginn der Medienkonferenz. Weitergehende Massnahmen, wie z.B.: die Anbindung des CHF an den EUR oder ein Zielband für den Eurowechselkurs liegen aber im Entscheidungsbereich der SNB. "Geldpolitische Entscheide, solange sie nicht verwaltungstechnische Fragen berühren, werden von der SNB autonom entschieden", erklärte Widmer-Schlumpf weiter. "Wir begrüssen jede dezidierte Massnahme der Nationalbank zur Lösung des Problems mit dem starken Franken", so die Finanzministerin. "Das Bewahren der Preisstabilität ist nach wie vor Aufgabe der SNB", ergänzte Schneider-Ammann.
dl/ra