Catania: Seit 100 Jahren ein Schweizer Eckpunkt
Von aussen scheint die Schweizer Schule in Catania umlagert vom Wildwuchs der Neubauten. Öffnet man das Tor, betritt man eine andere Welt.
Drinnen eine Oase der Ruhe, nur wenige Schritte von der zentral gelegenen Via Etnea entfernt. Aus den offenen Fenstern tönen deutschsprachige Sätze.
Ausserhalb der hohen Umfriedungsmauer gelegen, beherbergt die "Casa Elvetica" rund 70 Schüler und Lehrkräfte. Das Gebäude wurde 1928 gebaut und erst kürzlich renoviert.
Vom Pausenplatz aus sind die hässlichen Häuser in der Umgebung etwas weniger gut zu sehen. Hier ist auch ein kleiner "Multisportplatz" untergebracht.
Kontakte mit der Heimat erhalten
Das Abenteuer dieser Schweizer Ecke in Sizilien geht auf das Ende des 19. Jahrhunderts zurück. In der Hafenstadt Catania, von wo aus sizilianische Agrarprodukte und Rohstoffe verschifft wurden, liessen sich einige Schweizer Unternehmen nieder.
1881 wurde der erste "Club Svizzero" gegründet, dem dann 1904 offiziell die Gründung der Vereinigung für eine Schweizer Schule in Catania folgte. Der Unterricht erfolgte ausschliesslich in deutscher Sprache. Damit sollen die Schülerinnen und Schüler für einen möglichen Unterricht in der Schweiz selber vorbereitet werden.
In den letzten hundert Jahren hat die Schweizer Schule miterlebt, wie die Schweizer Gemeinde gewachsen ist. Eine Entwicklung, die sich in den Klassen widerspiegelt.
Die Schweizer Kinder machen inzwischen etwas mehr als einen Drittel aller Schüler aus – der Grossteil sind italienische Staatsangehörige. Die Schüler, die deutsch sprechen, sind somit in der Minderzahl.
"Die Schule dient heute als wichtige Brücke zwischen Sizilien und der Schweiz", sagt Schul-Direktorin Loretta Brodbeck. "Nur wenige Schüler von uns waren schon einmal in der Schweiz. Doch dank unserer Schule erscheint es nicht mehr abwegig, dass sich die Familien früher oder später doch noch für einen Besuch entscheiden."
Wechsel ist jederzeit möglich
Heute sind zahlreiche Schüler Kinder sizilianischer Auswanderer, die in der Schweiz geheiratet haben und seit den 80er-Jahren zurückgekehrt sind.
Das Lehrprogramm - vom Kindergarten bis zum Mittelschulabschluss - basiert auf einem schweizerisch-italienischen Doppelprogramm. Damit wird sichergestellt, dass Schüler der Schweizer Schule in Catania jederzeit sowohl in eine italienische als auch in eine schweizerische Schule wechseln können.
Auch der Lehrkörper ist seit einiger Zeit nicht mehr ausschliesslich schweizerisch.
Wer sein Kind in die Schweizer Schule schickt, will ihm eine Basis für ein interkulturelles Ambiente, einschliesslich verschiedener Sprachen, bieten.
"Die Kinder wachsen hier in zwei verschiedenen kulturellen Systemen auf", sagt die Italienisch-Lehrerin Amalia Bonaccorso. Ein weiterer, für die Eltern interessanter Aspekt ist der Unterricht in kleinen Gruppen, mit Schülern unterschiedlichen Alters in jeder Klasse.
Für Italien interessant ist auch die typisch schweizerische Lehrmethode, die stark auf dem Erlernen durch Erfahrung beruht. Wichtig sind Handarbeit und die Entwicklung von Kreativität.
Sprechen oder Machen
Eine weitere Eigenheit der Schweizer Methode ist Agostino Arena aufgefallen, er ist Vorsteher des Istituto Meucci, jener Schule, in der die Schüler der Schweizer Schule als Externe ihr italienisches Abitur (licenza media) ablegen. "Die Schweizer Schule basiert auf einem Erziehungsstil, der sich stark an der heutigen Wirklichkeit und an Know-how orientiert."
Dieser Ansatz, so Arena, ermögliche eine sehr gute Integration ins Erwerbsleben. Die italienische Schulmethode hingegen konzentriere sich mehr auf das mündliche – eine Tradition, die noch auf römische Zeiten zurückgehe.
Gemäss Arena ermöglicht deshalb der Austausch mit der Schweizer Schule eine beidseitige Bereicherung.
Das Deutsche als "künstliche Sprache"
Für Fabian Bühlmann, der als Lehrer aus dem Kanton Bern nach Catania kam, entspricht der Deutschunterricht in Sizilien in vielem der Unterrichtsweise, wie sie in der Schweiz selbst für Ausländer angeboten wird. Bei sich zu Hause hätten diese Schüler ja kaum die Möglichkeit, die neue Sprache anzuwenden.
"Der Deutschunterricht ist ein wichtiger Grund, weshalb italienische Eltern ihre Kinder auf diese Schule schicken", so Bühlmann. "Der Deutschunterricht bleibt somit eine unserer Eigenheiten."
Einen weiteren Akzent lege man auf die Handfertigkeit. "Diese beiden schulischen Elemente helfen uns im Wettbewerb mit den italienischen Schulen, die ziemlich Fortschritte verzeichnen können."
Weitere Budgetschnitte vermeiden
Auch in Catania ist man sich der Finanzschwierigkeiten des Bundes bewusst. Laut der Direktorin der Schule sind jedoch alle möglichen Sparmassnahmen realisiert worden, und zwar in allen 17 Schweizer Schulen.
"Bei uns in Catania würden weitere Kürzungen die Qualität des Lehrbetriebs treffen", sagt Loretta Brodbeck. "Oder die Wettbewerbsfähigkeit würde sinken."
"Eigentlich sind wir eine schöne Visitenkarte für die Schweiz", so Brodbeck, "denn hier besuchen uns täglich mindestens 300 Personen, die sich ein Bild von unserer Arbeit machen - von der Schweizer Methode, die sie kennen und schätzen lernen."
swissinfo, Mariano Masserini, Catania
(Übertragung aus dem Italienischen: Alexander Künzle)
In Kürze
Weltweit gibt es 17 Schweizer Schulen, 4 davon in Italien.
Über 10 Länder und 4 Kontinente verteilt werden rund 6000 Schüler unterrichtet. Ein Drittel davon sind Schweizer.
Noch erhalten die Schulen 18,4 Mio. Franken Subventionen aus der Bundeskasse.
Ab 2007 werden es nur noch 16,5 Mio. Franken sein.
Das jährliche Schulgeld für Catania beträgt 1590 Euro (2450 Fr.) für den Kindergarten, 2130 Euro (3283 Fr.) für die Mittelschule.
Im Preis inbegriffen ist das Lehrmaterial.
Schweizer Bürger zahlen etwas weniger.
Fakten
63 Schülerinnen und Schüler besuchen die Schweizer Schule in Catania, Sizilien.
26 Schweizer, 34 Italiener, 2 Deutsche und 1 Schwede.
5 der 9 Lehrkräfte sind Schweizer.

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