Bundesrat: Unspektakuläre Wahl erwartet
Am Mittwoch wählt die Bundesversammlung ein neues Bundesrats-Mitglied für die scheidende sozialdemokratische Innenministerin Ruth Dreifuss.
Alles deutet darauf hin, dass eine der beiden offiziellen Kandidatinnen der Sozialdemokraten gewählt wird.
Nur noch drei Personen verbleiben im Rennen um die Wahl in den Bundesrat: Die beiden offiziellen Kandidatinnen der Sozialdemokratischen Partei (SP) - die Genferin Micheline Calmy-Rey und die Freiburgerin Ruth Lüthi - und der Sprengkandidat der Schweizerischen Volkspartei (SVP), der Zürcher Toni Bortoluzzi.
Doch Bortoluzzi wird keine Chance haben. Einzig seine Partei, die SVP, unterstützt ihn. Von den anderen bürgerlichen Parteien stellt keine die beiden Sitze der Sozialdemokraten in der Regierung in Frage.
Keine Schlammschlachten, keine ausgegrabenen Geheimnisse: Die diesjährige Wahl schien schon im Vorfeld keine hohen Wellen zu schlagen. Denn eigentlich ist alles klar: Die Bundesversammlung wird eine der beiden offiziellen Kandidatinnen in die Regierung wählen.
Keine "wilden Kandidaten"
Drei weitere SP-Mitglieder hatten sich für das Amt interessiert: Die eben abgetretene Nationalratspräsidentin Liliane Maury-Pasquier, der Ständerat Jean Studer und die Tessiner Regierungsrätin Patrizia Pesenti.
Nach der Nomination von Calmy-Rey und Lüthi zogen sich die drei zurück. Einzig Studer brauchte für diesen Entscheid etwas mehr Zeit. Daher haben die beiden offiziellen Kandidatinnen keine wilden Kandidaten aus den eigenen Reihen zu befürchten.
Auch Freisinnige und Christdemokraten werden wohl kaum jemanden ausserhalb der offiziellen Kandidatur zu wählen versuchen. Beide Kandidatinnen sind für die Bürgerlichen wählbar, keine steht ihnen zu links. Die beiden Mittfünfzigerinnen scheinen sich innerhalb der "bürgerlichen Toleranzwerte" zu bewegen, so hörte man.
Dies haben auch die Hearings gezeigt, welche die beiden Kandidatinnen letzte Woche bei den Parteien absolvierten. Freisinnige, Christdemokraten, Grüne und Liberale attestierten ihnen grosse Kompetenz und politische Erfahrung. Kein Grund also, anderswo zu suchen.
Vorteil Calmy-Rey
Die beiden Damen zeigen ein ähnliches Profil. Beide können auf jahrelange Erfahrungen in einer Kantonsregierung zählen.
Micheline Calmy-Rey ist Staatsratspräsidentin und Finanzdirektorin des Kantons Genf. Ruth Lüthi leitet das Gesundheits- und Sozialwesen im Kanton Freiburg. Beide erhalten gute Noten in ihren Kantonen.
Obwohl Ruth Lüthi in der Deutschschweiz besser bekannt ist, dürften ihr zwei Tatsachen den Weg in den Bundesrat verbauen:
Einerseits ist der Kanton Freiburg mit Joseph Deiss schon in der Landesregierung vertreten. Obwohl die Kantonsklausel (nur ein Bundesrat pro Kanton) abgeschafft ist, dürfte diese dennoch einen wesentlichen Einfluss auf die Wahl ausüben.
Keine "echte Romande"?
Zum zweiten spricht ihre deutschschweizerische Herkunft gegen Lüthi. In der französischsprachigen Schweiz gilt sie nicht als "echte Romande". Denn traditionsgemäss sollte der Sitz von Ruth Dreifuss wieder in die lateinische Schweiz vergeben werden.
Ausserdem wird Lüthi voraussichtlich auch von der christdemokratischen Partei (CVP) keine Stimmen erhalten, da diese nicht ihren eigenen Freiburger, Joseph Deiss, gefährden will. Denn dessen Stuhl könnte wackeln, falls die SVP im nächsten Herbst bei den Wahlen erneut zulegen sollte, und dann wohl einen zweiten Sitz verlangen wird.
Politiker aus der französischen Schweiz befürchten, dass bei einer Wahl von Ruth Lüthi nur noch ein einziger "echter Romand" in der Regierung sitzen würde, der Walliser Pascal Couchepin. Denn auch der perfekt zweisprachige Joseph Deiss wird nicht von allen Romands als einer der ihren akzeptiert.
Die Diskussion um die "ethnische" Herkunft stösst allerdings - neben Deutschschweizer Parlamentariern - dem gebürtigen Belgier und Waadtländer CVP-Nationalrat Jacques Neirynck sauer auf. Im Tages-Anzeiger bezeichnet er die Kampagne gegen Lüthi ohne Umschweife als "ethnisch determiniert und deshalb rassistisch, widerwärtig und idiotisch".
Am Tag vor der Wahl gilt Micheline Calmy-Rey als Favoritin. Bleibt zu bedenken, dass eine Bundesrats-Ersatzwahl immer noch Überraschungen bringen kann. So wurde Rita Roos, bei der Wahl 1999 haushohe Favoritin, nur mit einigen wenigen Stimmen Unterschied ausgestochen: Von Ruth Metzler.
swissinfo, Olivier Pauchard und Christian Raaflaub

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