Bruchlandung der Swissair: Flugzeuge bleiben am Boden
Nichts geht mehr bei der Swissair. Weil das Geld zum Kauf von Flugbenzin fehlte, blieben am Dienstag praktisch alle Flugzeuge am Boden. Rund 19'000 Passagiere sassen weltweit fest. Der Bundesrat äusserte sich empört über die Haltung der Banken. Die Swissair fliegt auch am Mittwoch nicht: Die Crossair übernimmt einen Teil der Flüge. Damit sollen die Verbindungen zu den wichtigsten europäischen Zielen sichergestellt werden. Ihr eigenes Programm wickelt die Crossair im normalen Rahmen ab. Die Aktie der Swissair wird am Mittwoch an der Börse wieder gehandelt.
Formell schien am Tag nach der Übernahme des Fluggeschäfts der Swissair durch die Crossair alles geregelt. Das Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) stellte der Crossair mit sofortiger Wirkung die Bewilligung für zahlreiche Kurz- und Mittelstrecken-Flüge in Europa aus, die bisher von der Swissair durchgeführt wurden.
Die Grossbanken UBS und Credit Suisse Group gaben bekannt, dass der Kauf der Aktien-Mehrheit der Crossair abgeschlossen sei. Die Kaufsumme von 258,8 Mio. Franken stehe der Swissair zur Verfügung, hiess es.
Nicht für das Tagesgeschäft
Für das Tagesgeschäft fehlte das Geld aber. Der in Aussicht gestellte Überbrückungskredit von 250 Mio. Franken sei für das flugnahe Dienstleistungs-Geschäft gedacht und nicht für das Tagesgeschäft im Flugbereich, erklärte UBS-Sprecherin Eveline Müller. Weitere Informationen waren von den Banken nicht zu erhalten.
Weil die Mineralöl-Gesellschaften Flugbenzin nur noch gegen Vorauszahlung liefern wollten, blieben daher Hunderte von Flugzeugen am Boden. Tausende von Passagieren sassen in Kloten fest. Auf dem Flughafen herrschten chaotische Zustände. Die meisten anderen Airlines nahmen keine Swissair-Tickets zur Umbuchung an.
Mehr Stellen in Gefahr
Die Stilllegung des Flugbetriebes dürfte nun weit mehr Stellen kosten, als am Montag angekündigt worden war. Swissair sprach am Dienstag von "mehreren tausend Stellen", die in Gefahr seien. Im Flugbereich sind 7'300 Menschen beschäftigt.
Auch der Flughafen Kloten beklagte Ausfälle: Für Unique bedeute eine Woche Stilllegung der Swissair-Flotte eine Umsatzeinbusse von 10 bis 12 Mio. Franken, hiess es. Vorübergehende Ausfälle könnten ohne Entlassungen überbrückt werden. Bereits vor zwei Wochen war allerdings ein Personal- und Investitionsstopp verfügt worden.
Bundesrat empört
Der Bundesrat zeigte sich enttäuscht von den Banken. UBS und CS hätten die klare Aufforderung der Landesregierung missachtet, sagten Bundespräsident Moritz Leuenberger und Finanzminister Kaspar Villiger im Bundeshaus.
Ein kontinuierlicher Betrieb der Swissair bis zur Übernahme durch die Crossair hätte im grössten Interesse der Wirtschaft und des Images der Schweiz gelegen, sagte Leuenberger.
Finanzminister Villiger erklärte, der Bundesrat wäre bereit gewesen, für die kurzfristige Weiterführung des Flugbetriebs die Hälfte eines Überbrückungs-Kredites von 250 Mio. Franken noch in dieser Session ins Parlament zu bringen.
Ospel unerreichbar
UBS-Chef Marcel Ospel sei auf dieses Angebot nicht eingegangen und sei für den Bundesrat am Dienstagvormittag nicht einmal erreichbar gewesen. Der Bundesrat appelliere an die Banken, ihre Position zu überdenken. Die Fraktionen der Eidgenössischen Räte forderten ebenfalls ein stärkeres Engagement der Banken.
Swissair-Chef Mario Corti zeigte sich ratlos. Die Situation sei eine Katastrophe für alle Beteiligten, sagte Corti am Dienstagabend in der "Tagesschau" des Schweizer Fernsehens DRS. Er habe intensiv mit den Banken verhandelt, aber den nötigen Vorschuss nicht erhalten.
Die UBS weist Vorwürfe zurück, sie trage einen grossen Teil der Verantwortung am Swissair-Debakel. Die UBS habe ihr Möglichstes getan, sagte Alberto Togni, Vizepräsident des Verwaltungsrates, am Dienstagabend in der Sendung "10vor10" des Schweizer Fernsehens DRS.
Belgien will klagen
Die Swissair Group war nicht in der Lage, die am Dienstag fälligen 200 Mio. Franken an die belgische Sabena zu überweisen. Sabena, an der die Swissair mit 49,5% beteiligt ist, und der belgische Staat als Mehrheitsaktionär prüfen nun rechtliche Schritte gegen Swissair, Crossair, UBS und Credit Suisse.
Eine Klage erwägen auch die portugiesische Regierung und die portugiesische Fluggesellschaft TAP. Damit wollen sie Entschädigungszahlungen erreichen und die Swissair dazu bringen, ihre finanziellen Verpflichtungen einzuhalten.
Swissair bleibt auch am Mittwoch am Boden
Die Swissair-Maschinen bleiben auch am Mittwoch am Boden. Dies teilte das Unternehmen am Dienstagabend mit. Über das Flugprogramm vom Donnerstag will die Swissair am Mittwoch entscheiden. Sie rät ihren Kunden, auf andere Airlines auszuweichen.
Die Aktie der Swissair wird am Mittwoch wieder an der Börse gehandelt. Das teilte die Börse am Mittwoch mit. Der Aktienhandel war am Montag für zwei Tage ausgesetzt worden. Die Aktien der Flughafen-Betreiberin Unique Airport bieben am Mittwoch vom Handel ausgesetzt.
swissinfo und Agenturen

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