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Brasilien droht Roche

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Brasilien will den Patentschutz eines Aids-Medikaments des Schweizer Pharmakonzerns Roche brechen. Brasiliens Gesundheitsminister Jose Serra kündigte an, in staatlichen Labors werde ein Generikum des Roche-Medikaments Viracept hergestellt. Der Grund: Roche sei nicht zu einer fairen Preisreduktion bereit gewesen.

Dieser Inhalt wurde am 23. August 2001 - 20:59 publiziert

"Wir unterstützen Patente, aber nicht den Missbrauch von Patenten", erklärte der Gesundheitsminister Brasiliens. Trotz sechsmonatigen Verhandlungen sei der Schweizer Pharmamulti nicht zu einer akzeptablen Preisreduktion für das Aids-Medikament bereit gewesen.

Ein Sprecher des Gesundheitsministeriums ergänzte, dass die letzten Labortests für eine Kopie von Viracept im Gang seien. Das Nachahmer-Produkt werde ab dem kommenden Februar an die Aids-Patienten verteilt werden.

Roche überrascht

Bei Roche zeigte man sich am Donnerstag von dieser Drohung überrascht. Bislang seien die Verhandlungen in einem guten Klima verlaufen, und ein baldiger Abschluss werde erwartet, sagte eine Konzernsprecherin auf Anfrage.

Roche ist nach Aussagen der Sprecherin für das kommende Jahr zu weiteren Preis-Zugeständnissen bereit. Über das Ausmass wurden aber keine Angaben gemacht. Schon für das laufende Jahr erhalte Brasilien Viracept zum halben US-Grosshandelspreis. Roche plant überdies, das Aids-Medikament in Brasilien selbst herzustellen.

Viracept wurde vom US-Pharma-Konzern Pfizer entwickelt, der die Arznei in den USA und in Kanada selbst vertreibt. Roche hält lediglich Vermarktungsrechte und erzielte mit Viracept im ersten Halbjahr 2001 einen Umsatz von 220 Mio. Franken. Wieviel davon auf Brasilien entfällt, war nicht zu erfahren.

Erstmalige Patentverletzung

Falls Brasilien die Produktion unter Umgehung des Patents aufnehmen würde, wäre es das erste Mal, dass ein Patent für ein Aids-Medikament nicht eingehalten wird.

Brasilien gilt mit 203'000 registrierten Fällen als das Land mit den absolut meisten Aids-Kranken in Lateinamerika. Relativ gesehen ist die Lage Experten zufolge auch dank einer aggressiven Vorbeuge-Kampagne des Staates nicht so schlecht.

Das Land habe es geschafft, die Zahl der Aids-Infizierten unter einem Prozent der Bevölkerung zu halten. Das Aids-Programm des Landes, das eine kostenlose Abgaben von Arzneimitteln vorsieht, gilt Experten zufolge als vorbildlich.

Nach Ansicht von Analysten ist das Roche-Geschäft in Brasilien wirtschaftlich für den Konzern nicht von grosser Bedeutung. Die Auseinandersetzung um den Preis für Viracept dürfte für Roche eher eine Image-Frage denn ein wirtschaftliches Problem sein.

Teures Viracept

Viracept ist zurzeit das teuerste Medikament, das gratis an rund 100'000 Aids-Kranke Brasiliens verteilt wird. Im vergangenen Jahr gab das Land rund 303 Mio. Dollar für das staatliche Programm mit Aids-Medikamenten aus, davon 28 Prozent für das Roche-Medikament.

Mit seiner Politik, Druck auf die Pharmamultis auszuüben, hatte Brasilien bereits im vergangenen März einen Durchbruch erzielt. Damals gewährte der US-Konzern Merck einen Rabatt von rund zwei Dritteln auf zwei Aids-Medikamente, nachdem Brasilien mit der lokalen Produktion gedroht hatte. Die brasilianische Patentgesetzgebung ermöglicht es der Regierung, bei nationalen Notlagen Lizenzen zur Herstellung von Medikamenten an eine lokale Firma zu erteilen.

Auseinandersetzungen zwischen einem Land der Dritten Welt und westlichen Pharmakonzernen über Preisnachlässe für Aids-Medikamente gab es auch schon in Südafrika. Dort wird derzeit ebenfalls über Rabatte verhandelt.

swissinfo und Agenturen

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