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BGER/Medienfreiheit ist nicht schrankenlos

Dieser Inhalt wurde am 05. August 2011 - 13:00 publiziert

Lausanne/Zürich (awp/sda) - Das Bezirksgericht Zürich hat im Januar 2010 zurecht einen "Blick"-Reporter ausgeschlossen, weil dieser keine Gewähr bieten konnte, dass persönliche Angaben von Prozessbeteiligten nicht in der Zeitung erscheinen werden. Das Bundesgericht hat seine Beschwerde abgewiesen.
Konkret ging es bei der Verhandlung vor Bezirksgericht um häusliche Gewalt. Die Staatanwaltschaft warf dem Angeklagten vor, im Verlaufe eines Streits eine Bekannte mehrmals gewürgt zu haben, zuletzt mit einem Kabel. Der Beschuldigte und die Geschädigte hatten sich in einer therapeutischen Einrichtung kennengelernt und lebten nach der Entlassung zusammen.
Zum Schutz der Persönlichkeit des Angeklagten und der Geschädigten sowie aus Rücksicht auf das Alter des Angeklagten hatte das Bezirksgericht die Öffentlichkeit von der Hauptverhandlung ausgeschlossen. Zugelassen waren dagegen die akkreditierten Gerichtsberichterstatter.
Das Gericht ordnete jedoch an, dass keine Daten zu Namen oder Wohnort der Prozessbeteiligten und keine Bilder publiziert werden dürfen. Nachdem der "Blick"-Journalist auf die explizite Frage des Gerichtsvorsitzenden die Einhaltung dieser Auflage nicht gewährleisten konnte, musste er den Gerichtssaal verlassen.
In seinem am Freitag publizierten Urteil kommt das Bundesgericht zum Schluss, dass bei Gerichtsberichterstattungen die Namensnennung bei Personen der Zeitgeschichte gerechtfertigt sein könne. Bei dem Verfahren vor Bezirksgericht habe es sich aber bei den Parteien nicht um solche Personen gehandelt.
Die Berichterstattung habe gemäss Rechtsprechung in einem solchen Fall anonymisiert zu erfolgen. Der Vorsitzende des Bezirksgerichts habe vom Journalisten nur Gewähr für etwas gefordert, wozu dieser mit Blick auf den Schutz der Persönlichkeit der Verfahrensparteien ohnehin gehalten war.
Das Bundesgericht räumt zwar ein, dass ein Ausschluss in der Regel einen schweren Eingriff in die Medienfreiheit darstelle. Im Falle des "Blick"-Journalisten sei jedoch davon auszugehen, dass dieser an der Verhandlung hätte teilnehmen können, wenn er es unbedingt gewollt hätte. Er hätte nur umgehend den Chefredaktor anrufen und diesen zur verlangten Erklärung veranlassen müssen.
Die Wegweisung an sich sei zum Schutz der Persönlichkeit des Opfers und des Angeklagten verhältnismässig gewesen, hält das Bundesgericht fest. Der Gerichtsvorsitzende habe nicht ohne Weiteres darauf vertrauen können, dass sich der Journalist an die Auflage halte werde.
So habe der "Blick" entgegen der ausdrücklichen Weisung des Obergerichts den Wohnort des minderjährigen Angeklagten den Lesern bekannt gegeben. Zudem sei ein Tag vor der Hauptverhandlung das Bild eines Angeschuldigten veröffentlicht worden, dessen Gesicht nur notdürftig mit einem Balken über den Augen verdeckt und somit die Identität nicht geschützt gewesen sei.
Mit Blick darauf sei der Eingriff in die Medienfreiheit gerechtfertigt gewesen. Das Recht auf Meinungsäusserung sei nicht schrankenlos. Die übrigen Medienvertreter sei auch ohne Offenlegung der Identität der Verfahrensparteien in der Lage gewesen, über die Verhandlung vor Bezirksgericht sachgerecht zu berichten.
Mit seinem Urteil folgte das Bundesgericht der III. Strafkammer des Zürcher Obergerichts, die im Februar dieses Jahres die Beschwerde ebenfalls abgelehnt hatte. Dem "Blick"-Journalisten wurden Gerichtskosten von 3000 Franken auferlegt. (Urteil 1B_134/2011 vom 14. Juli 2011)

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