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Bergier-Akten: Bundesrätlicher Kniefall vor der Wirtschaft

Ohne Zustimmung der Unternehmen werden die Akten der Bergier-Kommission nicht öffentlich zugänglich sein. swissinfo.ch

Die Unternehmen können von der Bergier-Kommission "Schweiz-Zweiter Weltkrieg" Kopien von Dokumenten aus ihren Archiven zurückverlangen. Die nicht zurückgeforderten Dokumente sollen im Bundesarchiv öffentlich zugänglich werden. Es geht um 130'000 Aktenkopien. Die Bergier-Kommission ist enttäuscht.

Dieser Inhalt wurde am 03. Juli 2001 publiziert

Es war eine schwierige Entscheidung, die der Bundesrat an seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause (03.07.) fällen musste: Was passiert mit den Kopien von teils inhaltlich brisanten Firmendokumenten, welche der Unabhängigen Experten-Kommission (UEK) für Forschungszwecke zur Verfügung gestellt wurden?

Der Bundesrat entschied zugunsten der Wirtschaft und nicht der Forschung. Damit trägt er den Befürchtungen der Unternehmen vor einer widerrechtlichen Verwertung dieser Kopien Rechnung. Allerdings untergräbt er die Wissenschaftlichkeit und Legitimation der UEK, da er anderen Historikerinnen und Historikern Vergleichs-Möglichkeiten nimmt und weitere Nachforschungen unterbindet.

Die Bergier Kommission selber ist denn auch enttäuscht über den Entscheid der Regierung. Er stelle nicht nur eine Abwertung der Arbeit der Kommission dar, sondern auch eine Abwertung der wissenschaftlichen Arbeit schlechthin, schreibt die Kommission. International setze die Schweizer Regierung ein schlechtes Zeichen.

Eigentor

Die Forscherinnen und Forscher der UEK von Professor Jean-François Bergier hatten bei ihren Untersuchungen über die Schweiz im Zweiten Weltkrieg in Archiven von Privatunternehmen schätzungsweise 130'000 teilweise geheime Akten kopiert. Der Bundesbeschluss vom 13. Dezember 1996 sowie ein Rahmenabkommen zwischen der Bergier-Kommission und dem Vorort (heute Economiesuisse) Ende 1997 über die Arbeit in den Archiven ermöglichte ihnen dies.

Der Bundesrats-Beschluss bezieht sich auf dieses Abkommen, schliesslich hat sich die Bergier-Kommission einst zur Rückgabe der Aktenkopien verpflichtet. Insofern ist zu fragen, ob die UEK damals nicht sehr kurzsichtig gehandelt hat, als sie diesem Abkommen zustimmte.

Druck von beiden Seiten

Die Unternehmen drängten darauf, nach Abschluss der Forschungsarbeiten alle Aktenkopien zurück zu erhalten. Sie befürchten, dass die Dokumente, einmal öffentlich zugänglich gemacht, missbraucht werden könnten. Vor allem Versicherungen und Banken fürchten, dass noch unbekannte, jedoch umstrittene Tätigkeiten in der Firmengeschichte entdeckt werden könnten (Stichwort: Südafrika).

Die Bergier-Kommission, die Schweizerische Gesellschaft für Geschichte, aber auch «Bergier-kritische» Kreise wie die Interessen-Gemeinschaft Schweiz-Zweiter Weltkrieg machten sich dagegen für eine Lagerung der Aktenkopien in einem öffentlichen Archiv stark - allenfalls unter bestimmten Schutzbedingungen.

Auch andere Forscher müssten Zugang zu den Dokumenten erhalten. Nur so wäre eine Überprüfung der Bergier-Arbeit möglich, lautete ihre Begründung. Laut dem Bundesbeschluss von 1996, Art. 6, stehen alle Untersuchungs-Materialien der Bergier-Kommission unter der Verfügungs-Befugnis des Bundesrates. Bundesrätin Ruth Dreifuss hatte zugesagt, sie werde sich für eine öffentliche Zugänglich-Machung einsetzen. Nun allerdings hat die Gesamtregierung anders entschieden.

Carole Gürtler und Agenturen

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