Bauarbeiter streiken
In Bern, Genf und Neuenburg sind am Montag insgesamt mehrere tausend Bauarbeiter in den Ausstand getreten. Sie protestieren gegen den vertragslosen Zustand im Baugewerbe.
Damit spitzt sich der Arbeitskampf zu. Bereits am Samstag wurde am Gotthard die NEAT-Baustelle bestreikt. Die Arbeitgeber erachten die Streiks als verfassungswidrig.
Nach der überraschenden eintägigen Arbeitsniederlegung auf den NEAT-Baustellen vom vergangenen Samstag setzten die Baugewerkschaften am Montag ihre Protestaktionen in mehreren Städten fort.
Laut der Gewerkschaft Unia wurde der Aufruf sehr gut befolgt. In Genf ruhe die Arbeit flächendeckend, der Aufruf sei sehr gut befolgt worden.
Wenn die Warnstreiks vom Montag keine Auswirkungen auf die Verhandlungen mit den Baumeistern haben, kommen für die Gewerkschaft Unia auch längere Streiks in Frage.
Der Leiter Sektor Bau der Unia, Hansueli Scheidegger, erklärte in Bern, wenn bei der nächsten Verhandlungsrunde mit den Baumeistern keine Lösung gefunden werde, bestünden schon Pläne für weitere Kampfmassnahmen.
"Insbesondere bei der Streikdauer würden wir neue Töne anschlagen", so Scheidegger.
Druck auf Baumeister erhöhen
In der Deutschschweiz blieben die Baumaschinen auf der grössten Baustelle der Hauptstadt, dem Bahnhofsplatz, still. Laut dem Leiter der Grossbaustelle entspricht der Streik jedoch nicht dem Willen einer Mehrheit von Bauarbeitern. 70% hätten sich gegen einen Streik ausgesprochen. Sie seien am Morgen von der Gewerkschaft am Arbeiten gehindert worden.
Die Unia verweist demgegenüber auf eine geheime Abstimmung auf allen Baustellen der Stadt und der Region Bern, welche eine 90-%ige Streikbereitschaft ergeben habe.
Allein in der Region Bern streikten laut Unia rund 700 Bauarbeiter. Die Streikkassen seien dank jahrelanger Äufnung voll, erklärte Scheidegger weiter. Wenn die bereits zur Verfügung gestellten fünf Mio. Franken nicht ausreichten, seien weitere Mittel vorhanden.
Neuer GAV und Kampf dem Lohndumping
Gewerkschafter verteilten am Montag eine Streikzeitung mit dem Titel "Wir wehren uns!". Darin geht es neben einem neuen Landesmantelvertrag (LMV) um die Gesundheit der Arbeiter und um den Kampf gegen Lohndumping. Der Gesamtarbeitsvertrag (GAV) der Branche wird in der Baubranche LMV genannt.
Die Bauarbeiter befürchten nun, nachdem der LMV auf den 30. September gekündigt worden war, Lohndumping. Mit Streiks wollen sie den Druck auf die Baumeister (Arbeitgeber) erhöhen, damit diese Zugeständnisse bei den Verhandlungen für einen neuen LMV machen.
Mit der Kündigung des LMV nach 70 Jahren wanke ein Pfeiler der sozialen Gerechtigkeit, beziehungsweise der Schrittmacher für sozialpolitische Fortschritte im Baugewerbe.
Kaffee, Gipfeli und Ansprachen statt Arbeit
Im Streikzelt auf dem Waisenhausplatz im Zentrum Berns fand am Vormittag eine Streikversammlung mit Ansprachen von Gewerkschaftsführern statt, gefolgt von einem Mittagessen für die Streikenden im Streikzelt.
Die bewilligte Demonstration durch die Berner Innenstadt und die Kundgebung auf dem Waisenhausplatz verlief ohne Probleme.
Laut Unia wurde nicht nur in der Stadt Bern gestreikt, sondern auch in verschiedenen umliegenden Gemeinden.
Genf: Flächendeckend
Im Kanton Genf legten über 4000 Bauarbeiter ihre Arbeit nieder. Die Arbeit im Baugewerbe ruhte damit laut Lutz im Kanton Genf flächendeckend.
Rund 3000 von ihnen versammelten sich auf dem Place des XXII Cantons. Im Kanton Neuenburg schlossen sich laut dem Gewerkschaftssprecher rund 300 Bauarbeiter von den Baustellen in der Innenstadt dem Streik an.
Die Genfer Regierung zeigte sich angesichts der starken Mobilisierung besorgt. Sie empfing eine Delegation der Protestierenden zu einem Gespräch.
Kritik der Baumeister
Der Schweizerische Baumeisterverband, der den Gesamtarbeitsvertrag im Baugewerbe auf Ende September gekündigt hat, betrachtet die Streiks als verfassungswidrig.
Denn noch seien Verhandlungen im Gang. Die nächste Runde ist auf den 5. November angesetzt.
swissinfo und Agenturen
In Kürze
Mit den Streiks vom Wochenende, vom Montag sowie weiteren angekündigten drängen die Gewerkschaften auf den Abschluss eines neuen Gesamtarbeitsvertrags (GAV), in der Baubranche Landesmantelvertrag genannt.
Der alte GAV für rund 80'000 Beschäftigte ist Ende September ausgelaufen, nachdem er im Mai vom Baumeisterverband gekündigt worden war.
Die Sozialpartner hatten keine Verständigung erreicht. Die Arbeitgeber bestanden auf einer erhöhten Flexibilisierung, um Winterarbeitslosigkeit zu vermeiden. Zudem verlangten sie eine Minusstunden-Regelung.
Unia und Syna, die beiden betroffenen Gewerkschaften, haben diese Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen abgelehnt. Sie seien für die in der Branche Arbeitenden schon hart genug.

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