Schweizer:innen im Ausland: Bürger:innen zweiter Klasse?
Wie kann die Schweiz erreichen, dass es ihren Bürger:innen im Ausland nicht schlechter geht als jenen im Inland? Es geht um die Teilhabe an der Demokratie, aber auch um Bankgebühren und Krankenversicherungen.
Von "Bürger:innen zweiter Klasse" und von "Diskriminierung" spricht die Auslandschweizer-Organisation ASO, wenn es um die politischen Rechte geht. Denn ungelöst bleibt das Problem, dass der Hin- und Rückversand von Abstimmungsunterlagen auf dem Postweg vielerorts nicht rechtzeitig erfolgen kann.
Wer im Ausland lebt, kann also oft nicht abstimmen oder wählen, obwohl seit 1992 ein Anrecht darauf besteht. Hier zeigen wir, wieviele Auslandbürger:innen betroffen sind und wie eine Lösung ohne E-Voting aussehen könnte:
Bei den eidgenössischen Wahlen 2023 haben viele Kantone auf diese Herausforderung reagiert und ihre Wahlpost früher versandt. Aber nicht alle:
Seit 2023 hoffen viele Bürgerinnen und Bürger im Ausland auch wieder, dass E-Voting auf breiter Basis eingeführt wird. Die Schweiz startete im Juni 2023 mit einer neuen Versuchsreihe, vorerst in drei Kantonen.
Dies nachdem E-Voting zuvor aus Sicherheits- und Kostengründen komplett eingestellt wurde.
Im Wahljahr 2023 rückten die Anliegen der Auslandschweizer:innen wieder in den Fokus. Die Schweizer Politik hat den Wert dieses Elektorats entdeckt.
Und die Parteien haben erkannt, dass mit den Bedürfnissen der Fünften Schweiz Stimmen zu holen sind.
Doch ergibt sich aus dem Stimm- und Wahlrecht der Auslandschweizer:innen für den Staat auch eine Pflicht, dieses faktisch zu ermöglichen? Einige zweifeln.
Eine weitere Diskriminierung sehen viele Auslandschweizer:innen in der fehlenden Vertretung im Schweizer Parlament. Denn im Gegensatz etwa zu Frankreich kennt die Schweiz keine garantierte Expat-Vertretung im Landesparlament.
Das ist angesichts der Grösse dieses Elektorats erstaunlich, ist es doch mit 230'000 Stimmberechtigten mit einem grösseren Schweizer Kanton vergleichbar. Versuche, die politischen Repräsentation etwas in Bewegung zu bringen, hatten bis anhin wenig Erfolg.
Eine weitere Diskriminierung erleben Schweizerinnen und Schweizer im Ausland, wenn sie ein Konto bei einer Schweizer Bank halten möchten. Diese gingen nach 2008 dazu über, ihre Beziehungen zu Kunden mit Wohnsitz in Ausland aufzulösen. Oder sie vergrämen ihre Auslandkundinnen mit hohen Gebühren.
In der Politik setzte sich die Meinung durch, dass der Staat der Privatwirtschaft nicht reinreden solle.
Ähnlich lautet das Argument bei den Krankenkassen. Vor allem ältere Bürger:innen in Nicht-EU/Efta-Ländern erhalten kaum noch finanziell tragbare Versicherungslösungen, eine weitere Benachteiligung.
2021 herrschte die Covid19-Pandemie. Wieder fühlten sich viele Auslandschweizer:innen diskriminiert. Sei es, weil ihre Impfungen in der Schweiz nicht anerkannt wurden oder weil ihnen die Schweiz keine Impfungen zugänglich machte.
Schliesslich steht auch die Auslandschweizer-Organisation selbst vor substanziellen Herausforderungen. Denn hinterfragt wird zunehmend die demokratische Legitimation des Auslandschweizer-Rats. Dieser wird oft als Parlament der Fünften Schweiz bezeichnet.
Der Rat ist zum Grossteil jedoch ein Gremium von Delegierten der verschiedenen Auslandschweizervereine. Gesucht wird ein System, das eine repräsentativere, demokratischere Zusammensetzung zulässt.
Die Frage dürfte die Auslandschweizer-Organisation auch in den nächsten Jahren beschäftigen. Denn nötig ist ein Wandel, der nicht einfach zentral herbeigerufen oder von oben verordnet werden kann.

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