Aufruf zu Glaubwürdigkeit
Nichtstaatliche Organisationen (NGOs) haben die UNO-Menschenrechtskommission aufgefordert, sich selbst zu reformieren. Sonst riskiere sie, ihre Glaubwürdigkeit zu verlieren.
Dieser Aufruf erfolgte kurz vor Beginn der Jahressitzung der Kommission.
Immer wieder habe die UNO-Menschenrechtskommission (MRK), statt Menschenrechte durchzusetzen und Verstösse zu verurteilen, ein Auge zugedrückt und Tätern Straffreiheit gewährt, sagt die Generalsekretärin von amnesty international, Irene Khan.
"Und wenn die Kommission nicht fähig ist, Menschenrechts-Verstösse zu verurteilen, wird sie bedeutungslos", so Khan gegenüber swissinfo. Gewisse Staaten benützten ihre Mitgliedschaft in der MRK, um Kritik zu verhindern.
Nach Ansicht von Adrien-Claude Zoller von der Schweizer NGO "Geneva for Human Right" hat die MRK ihren Auftrag, Menschenrechte durchzusetzen und Verletzungen anzuklagen, nicht richtig wahrgenommen.
"Die Kommission ist eine Kammer der Straflosigkeit geworden, wo Richter und Angeklagte auf derselben Bank sitzen", erklärt Zoller gegenüber swissinfo.
Straffreiheit
Bei einer von swissinfo organisierten Debatte wies der libysche Präsident der letztjährigen Kommission, Najat al-Hajjaji, Zollers Vorwurf zurück. Die MRK sei keineswegs ein Forum für Straffreiheit.
Menschenrechts-Organisationen bemängeln jedoch, dass Länder wie China, Algerien, Indonesien, Saudi-Arabien, Russland oder Simbabwe, die "eine erschreckende Bilanz in Sachen Menschenrechten" aufwiesen, bislang einer ernsthaften Untersuchung durch die MRK entgangen seien.
Verschiedene Entwicklungsländer haben zudem vorgeschlagen, Regierungen für Menschenrechts-Verletzungen nicht mehr an den Pranger zu stellen, sondern ihnen stattdessen technische Hilfe und Zusammenarbeit anzubieten. Eine solche Politik könnte jedoch die Position der Kommission schwächen, befürchtet Zoller.
"Wenn massive Menschenrechts-Verletzungen begangen worden sind, ist eine Verurteilung ein 'Must'. Ohne Ahndung hat die Kommission kein Existenzrecht mehr", sagt Zoller.
Folter
In den nächsten sechs Wochen wird die MRK die Menschenrechts-Situation in rund 20 Ländern überprüfen und gleichzeitig eine Reihe von Vorschlägen im Zusammenhang mit Bildung und Entwicklung sowie Folter und Kinderhandel vorlegen.
NGOs wie amnesty international und Human Rights Watch fordern die Kommission auf, einen Schritt weiter zu gehen. So soll sie auch umstrittene Themen aufnehmen, wie den Status der auf der US-Militärbasis Guantanamo festgehaltenen mutmasslichen Taliban-Kämpfer, den US-Krieg gegen den Terrorismus oder das Thema der sexuellen Ausbeutung.
Die NGOs verlangen von der Kommission zudem, die Menschenrechtslage in verschiedenen Ländern müsse genauer unter die Lupe genommen werden.
"Schauen Sie sich auf der Welt um. Sie sehen Menschenrechts-Verletzungen in Irak, Afghanistan, Kongo, China, Tschetschenien, Simbabwe, Sudan, Saudi-Arabien und nun auch in Haiti", erklärt die amnesty-Generalsekretärin Khan gegenüber swissinfo. "Und was sagt die Kommission dazu?"
Zoller hofft, dass die Diskussionen zur Lage der Menschenrechte in Weissrussland, Turkmenistan und Nordkorea weitergeführt werden. Diese Staaten waren im letzten Jahr verurteilt worden.
Kampf gegen den Terrorismus
Die NGOs fordern auch, dass die Kommission einen Verantwortlichen bestimmt, der die Auswirkung von Anti-Terror-Massnahmen auf die Menschenrechte beobachtet.
Die Vereinigten Staaten, Grossbritannien, Spanien und Australien, das dieses Jahr der MRK vorsteht, sind gegen diesen Vorschlag, genauso wie Indien, Pakistan und Saudi-Arabien.
amnesty international und Human Rights Watch beanstanden, dass der von den USA geführte Krieg gegen den Terrorismus zahlreiche Menschenrechts-Missbräuche verursacht. Sie fordern die UNO auf, etwas dagegen zu unternehmen.
"Seit dem 11. September 2001 haben wir festgestellt, dass Regierungen im Namen des Kampfes gegen den Terrorismus Menschenrechte verletzen. Wir sind davon überzeugt, dass die Kommission eingreifen muss", sagt Khan.
Frauen
Im weiteren verlangen die NGOs von der Kommission, Gewalt gegen Frauen und die Diskriminierung von Homosexuellen zu überprüfen.
"Ein Jahrzehnt, nachdem die Wiener Konferenz Frauenrechte als Menschenrechte anerkannt hatte, wird noch immer eine von drei Frauen auf der Welt missbraucht, körperlich misshandelt oder vergewaltigt. Das ist ein Skandal", so Khan.
swissinfo, Anna Nelson in Genf und Agenturen
(Aus dem Englischen übertragen und bearbeitet von Etienne Strebel)
In Kürze
Die Menschenrechts-Kommission der UNO (MRK) trifft sich jedes Jahr für sechs Wochen in Genf.
Sie beauftragt Arbeitsgruppen, Experten und Repräsentanten damit, bestimmte Zustände im Bereich der Menschenrechte zu überwachen.
Die MRK ist aus 53 rotierenden Mitgliedsländern zusammengesetzt. Sie werden vom UNO Wirtschafts- und Sozial-Rat gewählt.
Mehr als 3000 Delegierte aus Mitglieds- und Beobachter-Staaten nehmen zusammen mit NGOs jedes Jahr teil.
Die Schweiz ist nicht Mitglied bei der MRK. Im Parlament ist jedoch eine Motion hängig, welche die Kandidatur vorantreiben soll.
NGOs hoffen, dass die Ernennung der kanadischen Richterin Louise Arbour zur neuen UNO-Hochkommissarin die Glaubwürdigkeit der MRK stärkt. Arbour wird ihr Amt im Juli antreten.

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