Gericht wird gegen Chirac in Abwesenheit verhandeln
Der frühere französische Staatschef Jacques Chirac muss nicht persönlich zu seinem Strafprozess wegen möglichen Amtsmissbrauchs erscheinen und darf sich stattdessen vertreten lassen. Dies entschied das zuständige Gericht am Montagabend in Paris.
Zum erneuten Auftakt der Verhandlungen um eine Affäre aus Chiracs Zeit als Pariser Bürgermeister genehmigte das Gericht einen entsprechenden Antrag des Angeklagten. Nach einem medizinischen Gutachten leidet der frühere Staatspräsident an Gedächtnisstörungen und kann auf Fragen nach seiner Vergangenheit nicht mehr antworten.
Beim Prozess geht es um Scheinarbeitsverträge im Pariser Rathaus Anfang der neunziger Jahre, als Chirac Bürgermeister war. Laut Anklage arbeiteten die mit Scheinarbeitsverträgen ausgestatteten Rathaus-Mitarbeiter in Wirklichkeit für Chiracs konservative Partei RPR, der Vorgängerorganisation der heutigen Regierungspartei UMP. Bezahlt wurden sie von der Stadt Paris.
Chirac wird deshalb "Veruntreuung öffentlicher Gelder" vorgeworfen. Dafür sieht das französische Gesetz bis zu zehn Jahre Freiheitsstrafe und eine Geldstrafe von bis zu 150'000 Euro vor.
Ursprünglich sollte Chirac am Dienstag, dem zweiten Prozesstag, angehört werden. Das Gericht hatte nun schon am ersten Prozesstag entschieden, dass sich Chirac durch seine Anwälte vertreten lassen dar. Der Prozess soll bis 23. September dauern.
Verfahren erst nach Amtszeit möglich
Chirac ist seit Kriegsende der erste französische Ex-Präsident, der sich vor Gericht zu verantworten hat. Während seiner Zeit an der Spitze des Staates von 1995 bis 2007 genoss er Immunität und konnte nicht juristisch belangt werden.
Anwalt Jean Veil hatte am Montag zu Beginn der Verhandlung gesagt, Chirac sei heute nicht mehr in der Lage, sich an 20 Jahre zurückliegende Vorgänge zu erinnern.
Der 78-Jährige hatte dem Gericht zuvor ein medizinisches Gutachten des angesehenen Neurologen Olivier Lyon-Caen übermittelt, in dem seine Krankheitsprobleme bestätigt werden.
Presseberichten zufolge hat sich Chiracs Gesundheitszustand in den vergangenen Wochen deutlich verschlechtert. Dies bestätigte Chiracs Schwiegersohn Frédéric Salat-Baroux, der Mann seiner Tochter Claude. Er habe "nicht mehr das nötige Gedächtnis", um einem Prozess beizuwohnen.