"Kein sympathischer Mensch"
Für Apartheid-Opfer in Südafrika lancierte US-Anwalt Ed Fagan in Zürich eine Milliarden-Klage gegen UBS und Credit Suisse. Die Reaktionen in der Schweizer Presse sind negativ.
"Ed Fagan bläst zum Angriff", titelt die "Berner Zeitung". Und die Schlagzeile der "Neuen Luzerner Zeitung" lautet: "Fagan will wiederum Milliarden." Deshalb fragt sich das "St. Galler Tagblatt": "Wieder Ungemach für die Grossbanken?"
Mit dem "nächsten Coup, den Ed Fagan inszeniert" - so die "Neue Zürcher Zeitung" - fordert der Anwalt vor einem US-Gericht mit einer Sammelklage gegen die beiden Schweizer Grossbanken UBS und Credit Suisse sowie die US-Bank Citicorp Entschädigungs-Zahlungen für die Opfer der südafrikanischen Apartheid-Politik in der Höhe von etwa 80 Mrd. Dollar.
Tumulte in Zürich
Buhrufe an die Adresse von Ed Fagan bildeten auf dem Zürcher Paradeplatz den Auftakt für die Präsentation der Südafrika-Sammelklage: "Ed Fagan bringt Zürcher in Rage", lautet die Schlagzeile in der "Aargauer Zeitung".
"Fischiato e minacciato in piazza", titelt der "Corriere del Ticino". Dass Fagan auf dem Paradeplatz ausgepfiffen und sogar bedroht wurde, ist auch dem "Blick" eine Schlagzeile wert: "Ed Fagan in Zürich niedergeschrien."
"Sprechblase Fagan"
Hart ins Gericht mit dem US-Anwalt geht der Zürcher "Tages-Anzeiger". Fagan habe noch nie einen Prozess gewonnen. Er funktioniere nach einer simplen Masche: "Er macht Lärm. Er tut dies so hochprofessionell und effektvoll, dass die Medien seine Sprechblasen begierig weitertragen. Mehr noch: Fagan ist nur Lautsprecher und Medienprodukt. Kein echter Anwalt, sondern ein PR-Manager seiner Ansprüche."
"Edgar Fagan ist ein unsympathischer Mensch", schreibt die "Basler Zeitung". Er gebe vor, sich für Opfer einzusetzen, doch kümmere er sich letztlich nicht um sie.
Die "BaZ" erinnert dabei an die 72-jährige Holocaust-Überlebende Gizella Weisshaupt, die Fagan in den neunziger Jahren in der Schweiz herumgezeigt habe als Beweis für das Unrecht, das ihr die Schweizer Banken angetan hätten. Die Banken zahlten 1,25 Mrd. Dollar aus, doch Gizella Weisshaus habe bis heute noch keinen Cent vom "Milliarden-Deal" gesehen.
Ähnlich tönt es im Berner "Bund", der die Sache so sieht: "Wenn Ed Fagan seine Hände im Spiel hat, geht es nicht um Moral, sondern um Macht und Geld - nicht zuletzt um sein eigenes."
Nicht auf die leichte Schulter nehmen
Die Schweiz müsse der Welt entschlossen und plausibel klar machen, warum sie nicht gewillt sei, auf Fagans Forderungen einzutreten, so die "Neue Luzerner Zeitung". Primär werde es darum gehen, den schlüssigen Beweis anzutreten, weshalb Schweizer Firmen für Verbrechen des Apartheid-Regimes rechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden können. Doch: "Politik und Wirtschaft tun gut daran, die Sache nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Es wäre nicht das erste Mal, dass die Schweiz in vermeintlicher Siegesgewissheit die Lage zunächst falsch einschätzen würde."
Auch die "Berner Zeitung" warnt, dass die ganze Sache so einfach nicht sei: "Rassentrennung, wo auch immer es sie gibt, ist aus heutiger Sicht ein Verbrechen. Es ist denkbar, vermutlich sogar wahrscheinlich, dass die Schweiz und ihre Unternehmen dazu beigetragen haben, die Lebensdauer des südafrikanischen Apartheid-Regimes zu verlängern."
Auf der anderen Seite hätten die Handelsbeziehungen zwischen der Schweiz und Südafrika nicht nur der weissen, sondern auch der schwarzen Bevölkerung geholfen, schreibt das Blatt. Die Basis für eine weitere Vertiefung der Beziehungen sei gelegt. Deshalb fände es die "Berner Zeitung" schade, wenn diese Entwicklung durch die Sammelklagen Ed Fagans gebremst würde.
Nicht Fagans Problem
Der "Tages-Anzeiger" erinnert daran, dass die Banken, anders als bei den nachrichtenlosen Konten, in Südafrika nicht direkte Täter gewesen waren. Als Geldgeber des Apartheid-Regimes hätten sie sogar in der zweiten Reihe gestanden. Juristisch seien die Banken wohl immun. Der "Tagi" fragt sich aber: "Und die moralische Schuld? Um sie abzuklären, täte eine Bergier-Kommission gut."
Und übrigens: Der ganze Aufruhr auf der Strasse wegen Herrn Fagan spiele in die Tasche von Rechtspopulist Christoph Blocher, schreibt die Genfer Zeitung "Le Temps". Das sei fatal für die Idee einer offenen, solidarischen und verantwortungsbewussten Schweiz. Aber: "C'est notre problème." Und nicht jenes von Ed Fagan, der die Opfer der Apartheid instrumentalisiere.
Jean-Michel Berthoud

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