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"Den Süden zum Teil der Lösung machen"

Die Deza ist bei der humanitären Katastrophe in Somalia mit eigenen Projekten engagiert, unterstützt aber auch andere internationale Hilfsorganisationen. Reuters

Hunger, Kriege, Katastrophen: Die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit steht auch 50 Jahre nach ihrer Gründung vor riesigen Herausforderungen. Direktor Martin Dahinden erklärt die Zusammenarbeit mit multinationalen Firmen und blickt in die Zukunft.

Dieser Inhalt wurde am 17. August 2011 publiziert
Etienne Strebel, swissinfo.ch

swissinfo.ch: Was lösen die schrecklichen Bilder der Hungerkatastrophe in Somalia in Ihnen aus?

 

Martin Dahinden: Die Bilder und Berichte vom Horn von Afrika erschüttern mich. Wenn ich von Menschen erfahre, die auf dem Weg zu Hilfsstellen ums Leben kommen, muss ich daran denken, wie schwierig es oft ist, kleine Beträge aufzutreiben, um vor Ort Nothilfe zu leisten.

swissinfo.ch: Wie gehen die Deza dieses Problem an?

M. D.: Lösungen sehen ist das eine. Dafür sorgen, dass die Lösungen auch zur Anwendung kommen, ist etwas anderes. Die Schweiz steht zu ihrer humanitären Tradition und engagiert sich. Aber unsere Mittel allein reichen nicht aus, um den gewaltigen Bedarf in der Region zu decken.

Zudem müssen wir über die kurzfristige Hilfe hinaus überlegen, wie wir die Ursachen dieser Not – allen voran die Konflikte in der Region - eindämmen können. Wir müssen dafür sorgen, dass die Menschen Arbeit und Einkommen erhalten und damit die Krise überwinden.

swissinfo.ch: Was bewirkt die Schweiz in Somalia?

M. D.: Zum einen ist die Schweiz dort in eigenen Projekten tätig. Andererseits unterstützt sie internationale Organisationen, allen voran das IKRK, aber auch das Welternährungs-Programm und das Flüchtlings-Hochkommissariat der UNO. Diese versuchen unter extrem schwierigen Bedingungen Menschen zu schützen und eine sinnvolle Arbeit zu leisten.

swissinfo.ch: Die Deza will in Zukunft auch intensiver mit multinationalen Konzernen zusammenarbeiten. Mit welchen?

M. D.: Wir leben in einer globalisierten Welt, die sich stark verändert. Da kommen auch in der Entwicklungs-Zusammenarbeit neue Herausforderungen auf uns zu, die wir nur mit neuen Partnerschaften lösen können.

Das betrifft Staaten wie Indien und China, die in der globalen Entwicklungs-Zusammenarbeit eine zunehmend wichtigere Rolle spielen.

Weiter betrifft es den Privatsektor. Hier arbeiten wir mit international tätigen Schweizer Firmen wie beispielsweise Novartis, Nestlé oder Zurich Financial zusammen.

swissinfo.ch: Wie profitieren Sie von dieser Kooperation?

M. D.: Grundlage ist ein gemeinsames Interesse. Multinationale Unternehmen verfügen in der Regel über Kapazitäten, über Know-how, die für uns interessant sind und die wir sonst nicht hätten. Etwa im Versicherungsbereich.

Unser Beitrag ist in der Regel die genaue Kenntnis der Situation vor Ort und der Leute, die in Armut leben. Daraus entstehen Partnerschaften.

swissinfo.ch: Illustrieren Sie das bitte an einem Beispiel.

M. D.: Wirtschaftliche, einkommensbildende Tätigkeiten werden oft nicht ausgeführt, weil sie für die betreffenden Menschen zu riskant sind. Nehmen wir als Beispiel das Risiko, wegen einer Missernte alles zu verlieren. In diesem Bereich gab es für die Länder des Südens lange keine Versicherungslösung.

In diesem Bereich sind wir eine Partnerschaft mit Zurich Financial Services eingegangen. Wir versuchen, Lösungen zu entwickeln, die diese spezifischen Risiken angehen und gleichzeitig für die Leute tragbar sind. Dazu sind Ansätze nötig, die nicht für die grossen Versicherungsmärkte gültig sind. Es geht nicht darum, bestehende Versicherungslösungen zu verkaufen.

Wir wollen helfen, wirtschaftliche Tätigkeiten zu ermöglichen, die den Menschen Arbeit und Einkommen verschaffen.

swissinfo.ch: Muss sich das nicht auch für die Versicherung lohnen?

M. D.: Doch, selbstverständlich. Wir müssen Lösungen suchen, die selbsttragend sind und es erlauben, dass wir uns wieder zurückziehen können. Im Übrigen ist die Idee nicht neu. Ähnliche Ansätze gab es schon im Mittelalter, als die ersten Versicherungen entstanden. Da waren zum Beispiel die Risiken für einen Reeder mit einem einzigen Schiff zu gross. Dort entstanden Formen der Versicherung, um Schäden überhaupt auffangen zu können.

Noch heute spielt dieser Gedanke im Bereich sehr armer Menschen, die viel stärker von einem Rückschlag betroffen sein könnten, eine wichtige Rolle.

swissinfo.ch: Gibt es Regeln, deren Einhaltung Sie von Ihren multinationalen Firmenpartnern verlangen?

M. D.: Ja. Wir arbeiten nicht mit Partnern zusammen, die Menschen- oder Arbeitsrechte verletzen. Zudem sind wir an internationalen Initiativen beteiligt, deren Richtlinien die Nachhaltigkeit, sozialverantwortliches Handeln und die Einhaltung der Menschenrechte regeln.

Die wichtigste davon ist der Global Compact der Uno, in dessen Rahmen sich viele multinationale Unternehmen engagieren. Damit stehen sie automatisch unter einer gewissen Beobachtung.

swissinfo.ch: Wagen wir einen Blick in die Zukunft der Entwicklungs-Zusammenarbeit. Was wird sich ändern?

M. D.: Die Welt verändert sich und damit auch die Thematik der Armut. Wir werden in Zukunft wohl noch stärker in schwierigen Umfeldern arbeiten müssen, die von Spannungen und Konflikten geprägt sind. Die Armutsbekämpfung in diesen Regionen erwies sich in den letzten Jahren als fast unmöglich.

Wir müssen uns auch um die neuen globalen Themen kümmern: Klimawandel, weltweite Migration, Ernährungssicherheit, Ressourcenknappheit – beispielsweise was sauberes Wasser angeht. Diese Probleme sind kaum über isolierte Projekte vor Ort lösbar. Deshalb werden wir uns weiterhin in der multilateralen Entwicklungs-Zusammenarbeit engagieren.

Wir müssen Ansätze entwickeln, welche die Länder des Südens mit einbeziehen und sie so zu einem Teil der Lösung machen. Daran arbeiten wir in einem intensiven Austausch mit anderen Staaten, mit internationalen Organisationen, mit Nichtregierungs-Organisationen, mit der Forschung.

Diese Herausforderungen werden das Gesicht der Entwicklungs-Zusammenarbeit verändern. Aber nicht alles wird neu. Die DEZA war seit ihren Anfängen eine innovative und kreative Institution, die stets sehr eng mit der betroffenen Bevölkerung gearbeitet und deren Probleme verstanden hat. Diese Grundausrichtung wird auch in Zukunft wichtig sein.

DEZA

Die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit ist die Agentur für internationale Zusammenarbeit im Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA). Sie wurde vor 50 Jahren gegründet.

Sie ist zuständig für die Gesamtkoordination der Entwicklungs- und Ostzusammenarbeit mit andern Bundesämtern sowie für die humanitäre Hilfe des Bundes.

Ziel der Entwicklungs-Zusammenarbeit Armutsreduktion.

Aufgaben

Förderung der wirtschaftlichen und staatlichen Eigenständigkeit
Beitrag zur Verbesserung der Produktionsbedingungen
Hilfe bei der Bewältigung von Umweltproblemen
Besserer Zugang zu Bildung und gesundheitlicher Grundversorgung.

Die DEZA beschäftigt rund 600 Mitarbeitende im In- und Ausland sowie 1000 lokale Angestellte.

Jahresbudget 2011: 1,73 Mrd. Fr.

Die Deza arbeitet in direkten Aktio­nen, unterstützt Programme multilateraler Organisationen und finanziert Programme schweizerischer und internationaler Hilfswerke.

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Martin Dahinden

Botschafter Martin Dahinden,  geboren 1955, ist seit dem 1. Mai 2008 Direktor der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit.

  

Zuvor war er Direktor für Ressourcen und Aussennetz im Aussendepartement sowie Direktor des Genfer Zentrums für humanitäre Minenräumung.

Der studierte Betriebswirtschafter war vorher im diplomatischen Dienst an verschiednen Standorten und Funktionen tätig.

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